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Gaming Headset Corsair Virtuoso Wireless SE im Test – Nicht ganz preiswert, aber den Preis wert

Mikrofon-Messung und Sound-Check

Zunächst messen wir auf Wunsch auch den Frequenzbereich des Mikrofons, um dem Feedback der Leser entgegenzukommen. Dafür nutzen wir erneut unseren Messraum, kehren den Vorgang aber quasi um. Natürlich übersteigt eine echte Reziprozitätskalibrierung als Ausgangsbasis unsere aktuellen Möglichkeiten und der Aufwand überstiege den Nutzen bei Weitem. Deshalb haben wir einen Kompromiss gesucht. Da wir aber über ein kalibriertes Messmikrofon verfügen, lässt sich durch eine Vergleichsmessung und das Herausrechnen der Unterschiede zumindest eine für unseren Zweck gut verwertbare Kurve erzeugen. Somit ist es also nicht der exakte Frequenzgang des Mikrofons, das würden wir uns gar nicht anmaßen, jedoch eine aussagekräftige Annäherung, die unseren subjektiven Eindruck zudem untermauert.

Es gibt keinen Low-Cut, was schade und gut ist. Schade, wenn man zu sehr schnappatmet oder mal husten muss, gut hingegen, wenn es voll und „männlich“ klingen soll. Die unteren Mitten sind sehr präsent, was dem Klang eine sehr warme und füllige Note gibt. Das kann man hassen oder mögen, die Sprechverständlichkeit leidet darunter jedenfalls nicht. Ab ca. 8 kHz gibt es einen leichten Pegelabfall, oberhalb von 10 kHz wird es dünn. Nur reichen die 8 kHz sogar noch für die Sibilanten und sonstige Ausblasereignisse.

Der Vorteil der USB- oder Bluetooth-Lösung: es klingt immer gleich, egal an welchem Motherboard. Der Pegel könnte zwar generell etwas kräftiger sein, aber das kann man in der Windows-Systemsteuerung bei Bedarf noch etwas anpassen.  Klanglich passt das also und auch wenn es kein Hi-Fi ist, es liegt über dem Durchschnitt der üblichen Headset-Mikrofone. Die Auflösung ist recht gut und bei Konferenzen hat man immer schön den fetten Tiefton mit am Start. Teamspeak geht auch, man darf nur nicht spucken und husten. Nur der Superhochton ist etwas dünn, aber das kann man sicher locker verschmerzen.

Original mit Kondensatormikrofon (the t.bone)

Corsair Virtuoso

Kopfhörer-Messung

Wie wir testen, haben wir im Grundlagenartikel „Gaming-Headsets: Mythos, Wahrheit und wie wir testen“ bereits sehr ausführlich und transparent dargelegt, denn mit dem üblichen Audio-Geschwurbel von Bassgewittern und Hochtonpeitschen kommt man nicht wirklich weiter. Man muss schon subjektiv gut zuhören können und parallel dazu auch messen. Beginnen wir zunächst mit Letzterem.

Kommen wir nun zur Messung der Kopfhörer-Qualität. Ich habe den Frequenzverlauf wiederum bei 1 KHz auf 0 dB normiert, so dass man einerseits gut den Gesamtverlauf mit allen Zugaben und Frequenzabfällen bewerten kann und andererseits auch nicht ganz die Vergleichsmöglichkeit zu vorangegangenen Messungen verliert. Aber es ist trotzdem anders, weil ja die Glättung (1/1 Oktave) durch die nahezu ungeglättete Darstellung (1/24 Oktave) ergänzt wird. Das alles sieht dann natürlich deutlich „hibbeliger“ aus, passt aber auch wesentlich besser zur Realität. Denn eines ist auch klar: es gibt sie nicht, die ideale Kurve.

Doch beginnen wir zunächst mit der geglätteten Kurve, weil sie sich einfacher erklären lässt. Was wir sehen ist keine typische Badewanne, Danke dafür. Natürlich schiebt der leicht angedeutete Oberbass-Hügel die unteren Mitten etwas im Pegel nach unten, aber man wird es ertragen können. Allerdings ist die Präsenz ab den oberen Mitten und im Hochton schon etwas gewöhnungsbedürftig bis crisp. Für Spieler ist das natürlich gut, für den audiophilen Leisetreter, der gern mal einer Harfe lauscht, eher weniger.

 

Der Bass geht auch gut nach unten, will aber richtig getreten werden. Mit etwas mehr Kraft durch den Equalizer hat man dann sogar einen richtig rabenschwarzen Bass-Tag, denn pegelfest sind die Treiber in jedem Fall. Wer es darauf anlegt, kommt sogar kurz unter die Schmerzschwelle. Wobei ich mich auf meine beziehe, denn es soll ja durchaus auch Leute  geben, die nicht mal mehr durch einem Granateinschlag wach werden.

Schieben wir nun die PR-kompatible Darstellung beiseite und betrachten den ungeglätteten Kurvenverlauf. Hier spielt natürlich auch noch das „nur“ semi-professionelle Messequipment eine Rolle, aber trotzdem fällt das Gemessene auch hier sehr ähnlich aus. Wir sehen hier noch einmal deutlicher, dass die eher mitten- und höhenlastige Auslegung des Headsets dem e-Sport angedient ist. Aber auch hier sind die Herstellerangaben auf dem Datenblatt sehr bewusst ohne die Angabe des Toleranzbereiches gemacht worden. Diese Kritik muss sich auch Corsair gefallen lassen.

Kumulative Spektren (CSD und SFT)

Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Zwei Arten eines kumulativen Spektrums werde ich nun testen:

Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Lautsprecher-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers.

Das Bild zeigt sehr schön das vorbildliche Einschwingverhalten und die kaum anwesenden Bassresonanzen. Die Membran schwingt allerdings bei ca. 1 bis 1,5 kHz etwas nach, was ich aber nicht als störend empfinde. Der ganze Hochtonbereich ist bis auf das Peak bei ca. 3,5 bis 4 kHz recht harmonisch abgeglichen, wirkt aber in der Summe sehr präsent.

 

Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt.

Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich in einigen Frequenzbereichen nur sehr kleine Schwächen leisten. Dieses „Nachziehen“ bei einigen Frequenzen (1,2 KHz, 3,7 KHz) wiederholt sich dann noch und bei ca. 15 kHz kommt noch eine Peitsche im Superhochton.

 

 

Subjektives Hörerlebnis

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original geboten bekommt. Ich habe das Headset vorher jedoch wie immer fast 5 Tage im Messraum eingesperrt und mit einem ausgewählten Sound-Loop gequält, um erst einmal Betriebsstunden zu schrubben. Was tut man nicht alles für unsere eingefleischten Einspielfanatiker unter den Lesern 🙂

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der originale Bass ist präzise und knackig, aber im Originalzustand etwas zu verhalten. Das geht mit etwas Equalizer-Zugabe dann  komplett auch in rabenschwarz, denn die Treiber sind pegelfest und der Verstärker ist mit den 50 mW pro Kanal auch kein totales Leichtgewicht. Man kann also das Virtuoso wahlweise sogar zum Bassbomber mutieren lassen, wenn man es denn darauf anlegt. So, wie der Bass im Original auftritt, geht das zumindest fürs Gaming noch voll in Ordnung. Allerdings bekommt man als Orgelliebhaber die Subkontraoktave nur dann befriedigend aufs Ohr, wenn man noch mindestens 6 dB draufgibt. Dann aber geht es mit Schmackes bis in den tiefsten Keller.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Männliche Vokals wirken fast schon etwas zu vollmundig, ohne aber zu überpacen. Fürs Gaming geht der originale Klang völlig in Ordnung, denn jeder Bombeneinschlag kommt sauber ans Ohr und überschmiert nicht den Rest der Klangkulisse.  Den Equalizer braucht man hier natürlich eher nicht, aber wer es eher audiophil angehen lassen will, der nimmt etwas Oberbass weg. Die Betonung liegt auf etwas.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Weibliche Vocals sacken leicht ab, gehen aber nicht ganz unter. Gut ist hingegen die Präzision, mit der man vom Oberbass in die unteren Mitten herübergeleitet wird. Das bleibt recht konstant und kann durchaus so gefallen. Die Fülle reicht noch einigermaßen aus und wer es etwas wärmer abgestimmt mag, gibt 3 bis 6 dB dazu, je nach Gusto. Hier kann man sich zwischen kühlerer Wiedergabe und Kamin-Wohlfühlambiente entscheiden. Der Gamer von Welt wird natürlich die Frostpeitsche schwingen.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Das alles wird mit steigender Frequenz prägnanter, deutlicher und bleibt trotz der ab ca. 1 kHz einsetzenden Dominanz doch recht präzise und differenziert. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut und es muss kein virtueller 7.1-Surround-Mix sein, um ein gutes Gefühl für die Ortung zu erhalten. Die einzelnen Quellen lassen sich auch bei hohen Pegeln noch ausreichend gut lokalisieren, egal ob von unten ein Wummern anliegt oder nicht. Das Headset klingt nie ruppig, übermütig oder nachlässig, sondern inspiriert oft genug beim Gaming, doch etwas genauer hinzuhören, weil man auch die feinen Nuancen angeboten bekommt.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Die Stimmen besitzen einen hohen Wiedererkennungswert, Instrumente auch. Das, was man als Klangfarbe bezeichnet, ist recht nah am Original, fast schon zu aggressiv im Vordergrund. Für die Zielgruppe ist das beim Spielen kein Nachteil, nur wer Musik bevorzugt, sollte hier gern auch mal über 3 dB weniger nachdenken.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Die Sibilanten sind da, fast schon überbordend. Das schrammt haarscharf am Metallischen vorbei. Noch einmal Glück gehabt. Auch der Superhochton ist noch kräftig mit von der Partie und bis ca. 17 kHz bleiben keine Wünsche offen. Ich höre nur noch bis ca. 14,5 kHz, also reicht mir das alles locker. Fledermäuse müssen dann spätestens ab 20 kHz etwas tapferer sein. Menschen wohl eher weniger.

 

Zusammenfassung und Fazit

War man beim Test von Gaming-Headsets in der Vergangenheit auch bei Corsair oft genug auf dem Pfad der Trötenwanderung, muss dieses Headset keine Hilfreiche Hand mehr tragen. Das trägt zwar ordentlich auf, aber es hält (fast) alles, was es verspricht. Die UVP wird sich so sicher nicht halten und wenn man mal perspektivisch ca. 150 Euro ansetzt, dann ist dieser Spaßbolzen schon eine echte Alternative zum vollverdrahteten Ohrenwärmer. Die Laufzeit passt, Optik, Haptik und Verarbeitung auch.

Der Materialmix ist clever umgesetzt, denn man merkt den Kunststoff oft erst auf den zweiten Blick oder durchs ambitionierte Handauflegen. Pegelfest ist das Teil auch, der Klang passt zur Zielgruppe (nur für Untenrum muss Kevin-Klaus beim Kapitalen Wonder-Bra den EQ bemühen) und Reserven gibt es genügend. Deshalb auch der Kauftipp für diejenigen, die keine basslastigen Schmierlappen, sondern präzise Handlanger für den Schallaufbau suchen. Das kann das Corsair Virtuoso ganz gut.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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