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Fehlender Flux-Kompensator: Flussmittelrückstände in billigen Radiatoren – warum so viele AiO-Wasserkühlungen wirklich sterben | Investigativ

Ich habe es mir nicht einfach gemacht, sondern fast ein halbes Jahr an diesem Thema gearbeitet. Im ersten Artikel hatte ich letztes Jahr bereits über verstopfte Kühler und Schläuche, defekte Pumpen und die Theorie hinter den Kühlflüssigkeiten und deren Zusätze geschrieben. Nach einer sehr aufwändigen Analyse mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) und mit Hilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) konnten wir der eigentlichen Ursache noch deutlich näher kommen. Und ja, der Titel hat nichts mit der Zukunft zu tun, sondern mit der Gegenwart des enormen Kostendrucks. Mehr dazu gleich.

Ursprünglich vermutete ich ja eine Verunreinigung der Kühlflüssigkeit bis hin zum Einsatz von billigem „Aqua Plumbi“ (also Leitungswasser) anstelle eines sauberer Osmose-Umkehr-Filtrates. Doch das war am Ende dann doch nur ein Sidekick. Sicher, die verwendeten Flüssigkeiten wiesen diverse Rückstände auf, die dort nichts zu suchen hatten, aber es kam am Ende dann noch viel dicker. Trotzdem möchte ich am Anfang natürlich auch noch einmal zum besseren Verständnis auf den Teil 1 dieser Tragödie verweisen, denn das sind wichtige Grundlagen, die auch weiterhin vollumfänglich gültig sind:

Wenn der OEM schludert oder spart – AiO-Kompaktwasserkühlungen mit vorprogrammiertem Verfallsdatum und ein sehr aktuelles Beispiel | Investigativ

Die Kristalle aus den bereits aus Teil 1 bekannten Bildern möchte ich jetzt einfach mal überspringen, genauso wie die zugesetzten Cold Plates. Denn das sind nur die Folgen und ich will nun, nach den ganzen Untersuchungen, zum wahren Kern der Problematik kommen. Hier geht es um dem Kostendruck geschuldete, völlig unzweckmäßige Fertigungsverfahren beim Hersteller der Aluminium-Radiatoren. Diese Hersteller sieht man im Allgemeinen nie im Licht der Öffentlichkeit und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass eine Firma wie Apaltek (siehe Teil 1) als ODM/OEM die Radiatoren noch nicht einmal selbst gefertigt hat, sondern diese wiederum nur bei Dritten noch billiger eingekauft hat.

Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass es eigentlich alle Anbieter von eher günstigen AiO-Kompaktwasserkühlern treffen kann, die bei Auftragsfertigern produzieren lassen, die derart billig zusammengeschluderte Radiatoren zukaufen und wo die Qualitätskontrolle Lücken aufweist.

Wer ist eigentlich genau betroffen?

Eine Kühlung, die im Einkauf 25 USD oder weniger kostet, kann im Allgemeinen nicht dauerhaft funktionieren, denn das hat auch etwas mit dem Aufwand bei der Fertigung zu tun, nicht nur mit den reinen Materialkosten. Mögliche Mängel kann man also auch bereits am Abgabepreis frei Hong Kong ausmachen, nur kennt den der Kunde ja in den seltensten Fällen. Wir haben das enorme Feedback der Leser nach dem ersten Teil ausgewertet, selbst recherchiert und auch die RMA-Quoten über Händler und Distributoren abgefragt, soweit das möglich war. Es waren bisher fast nur Produkte des Fertigers Apaltek betroffen, während Asetek-Produkte unauffällig bleiben.

Das wiederum stellte uns vor das nächste Problem: Da wir nämlich bei verschiedenen Batches identischer Produkte unterschiedliche Ergebnisse vorfinden konnten, wäre es nicht objektiv, konkrete Modelle bestimmter Anbieter zu nennen. Panik zu verbreiten, wäre zudem kontraproduktiv und führt auch zu nichts. Denn würde ich jetzt z.B. einen Anbieter (nicht OEM/ODM) ausschließen und deren Produkte wären später trotzdem betroffen, dann wäre eine explizite Kaufwarnung vor einzelnen Anbietern oder Produkten, die nur partiell betroffen sind, genauso widersinnig.

Deshalb gilt wie immer: wer billig kauft, kauft zweimal. Wer jedoch merkt, dass die Kühlperformance seines geliebten Schnäppchens nachlässt, der darf sich bei der RMA gern auf diesen Artikel berufen und mich zudem auch per Mail kontaktieren. Ich habe mittlerweile mit einigen Abnehmern von Apaltek-Produkten gesprochen und die jeweiligen Firmen auch im Hinblick auf die Radiator- und Coolant-Problematik sensibilisiert. Sollten also im Zeitraum von 3 bis 6 Monaten nach der ersten Inbetriebnahme Performance-Einbrüche auftreten, dann sollte das Produkt umgehend retourniert werden.

Die Radiatoren ohne Flux-Kompensator

Wie man das Ganze richtig machen kann, zeige ich Euch später. Zuvor haben wir nicht nur einen Radiator eines Produktes aufgesägt, sondern mehrere. Und damit ist auch gesagt, dass es fast jeden Anbieter treffen kann, der solch billige Aluminium-Radiatoren verbaut bekommt.

Apropos Flux, wisst Ihr eigentlich was das ist? Natürlich nicht im Film (hier hat man einfach etwas genutzt, von dem der Drehbuchautor zwar keine Ahnung hatte, das aber schön kompliziert klingt), sondern in der betroffenen Kühlung. Es handelt sich in meist um Kalium-Aluminium-Fluorid, im Folgenden auch kurz Flux (Flussmittel) genannt. Und ein Flux-Kompensator ist dann genau das, was Eurer AiO fehlt. So hat Hollywood, wenn auch ungewollt, durchaus indirekt etwas mit Eurer AiO Kompaktwasserkühlung zu tun. Immerhin. 😀

Das Bild oben zeigt Euch nun, was man finden kann, wenn man so einen Radiator in den Schraubstock spannt und emotionslos einmal quer durchtrennt. Wir sehen Schleim, Krümel und die üblichen Späne des Trennvorgangs, die man natürlich vernachlässigen kann. Und was das alles nun genau bedeutet, erfahrt Ihr auf der nächsten Seite.

 

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big-maec

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827 Kommentare 475 Likes

Hatte vor Jahren schon schlechte Erfahrungen mit AIOs gemacht, deshalb lasse ich jetzt die Finger davon. Finde es sehr gut mal den Wirklichen Grund zu erfahren warum die AIOs ausfallen. Danke für den Artikel.
Ich hätte jetzt mal eine Frage wie sieht es dann bei den Kupferradiatoren aus?
Kupfer lässt sich besser löten als Aluminium aber wie sieht es da aus?

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G
Guest

Schließe mich da meinem Vorredner an, diese negative Erfahrung hatte ich auch. Sehr aufschlußreich, da wird der ein oder andere Hersteller jetzt vielleicht kalte Füße bekommen wegen den RMAs.
Es ist für den Endanwender halt auch schwierig, die schwarzen Schafe vorab zu identifizieren.
Sollte ich mal auf Watercooling gehen, würde ich das eher in Richtung Custom machen. Und da kann ich hier auf der Seite und im Forum ja zum Glück aus den Vollen schöpfen.
Im Moment reicht aber auch die Luftkühlung. Obwohl: die 6900er unter Wasser zu setzen, würde sich über kurz oder lang wohl schon lohnen...
Aber halbe Sachen ist nicht so mein Ding, wenn schon, dann alles.

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B
Besterino

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6,709 Kommentare 3,310 Likes

Ich hatte selbst in meiner Kupfer-AIO so eckligen Schlamm/Schleim. Da war’s vermutlich eher ausgeschwemmter Weichmacher, aber genau kann ich das nicht sagen. In meinen Customs hatte ich das jedenfalls noch nie.

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F
Falcon

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113 Kommentare 116 Likes

Hab vor ein paar Jahren mal ne kleine Führung durch einen mit Asetek Komponenten gekühlten Server bekommen und deren Ausfallquoten gehört.
Seitdem achte ich darauf AIO´s zu Verbauen die von Asetek Hergestellt werden und hatte in zig System nicht ein Problem.

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Igor Wallossek

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Ja, Schläuche sondern eklige Dinge ab. Viele denken dann an Schimmel... Aber es sind die ganzen Weichmacher. :(

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RedF

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Am besten gleich auf EPDM schläuche setzen.

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FritzHunter01

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Einen reinen kupferbasiereten Kreislauf (Custom Wakü) kann ich nur empfehlen. Deutlich einfacher in der Handhabung und wenn man nicht gerade solche dickflüssigen-farblichen Wässerchen einsetzt, dann ist das ganze pflegeleicht. In einem Kupferkreislauf gibt es keine Korrosionsketten!

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B
Besterino

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6,709 Kommentare 3,310 Likes

So nicht ganz richtig: Korrossion es auch, weil nicht alles Kupfer ist (z.B. sind die Anschlussterminals, Fittinge & Co. meist aus Messing). Auch ist O auch im Wasser einfach extrem reaktionsfreudig und greift Kupfer an mit der Zeit. Aber es ist deutlich WENIGER als bei einer Kupfer-Alu-Kombi.

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ssj3rd

Veteran

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Puh, hoffe meine NZXT Z73 bleibt mir noch viele Jahre erhalten, bis jetzt läuft‘s seit fast 2 Jahren völlig problemlos.

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FritzHunter01

Moderator

1,150 Kommentare 1,567 Likes

Das man beim Einsatz des Kühlmittels natürlich nicht das Stadtwasser verwenden sollte, das muss klar sein! Messing ist eine Legierung die i.d.R. aus min 50% Kupfer und um die 40% Zink besteht. Der Rest ist je nach Güte mit anderen Metallen bestückt. Somit keine Korrosionskette! Maximal unter O2 kommt es zur Oxidation... leicht grünliche Färbung... hat jeder schonmal gesehen!

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P
Pokerclock

Veteran

426 Kommentare 362 Likes

Ich bin generell kein Freund von AIOs. Ausfallsicherheit hat einen gewissen Stellenwert bei mir und meinen Kunden und da sind AIOs ganz weit hinten angesiedelt im Vergleich zum klassischen Luftkühler. Letztere kann man auch noch nach Jahrzehnten nutzen wenn man des denn will und der Hersteller die passenden Montage-Kits bereitstellt. Außerdem ist das Zeug schlicht Sondermüll. Will nicht wissen wie oft die Dinger einfach in der Restmülltonne landen.

Ebensfalls ist mir aufgefallen, dass speziell die Pumpen der AIOs (durch alle Hersteller hinweg) stark anfällig sind für typische Transporterschütterungen. Ist natürlich sehr speziell, aber spätestens nach 5, 6 Hin- und Herversendungen mit DHL und Konsorten ist Schluss mit der AIO. Aber was will man machen, wenn man in Mikro-ATX-Gehäusen dicke CPUs nutzen will und nicht zu viel Gewicht am Mainboard hängen soll...

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Megaone

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1,742 Kommentare 1,644 Likes

Toller Artikel. Erstmal danke dafür.

Aber wer sagt eigentlich, das man an langlebigen AIO`s seitens der Industrie überhaupt interessiert ist. Hier las ich neulich von einem Teilnehmer, das man nach 4-5 Jahren eh das System wechselt und man danach auch eine Neue AIO braucht. Würde eine langlebig konzipierte AIO nicht zwingend die Möglichkeit der Nachfüllbarkeit bieten müssen? Mein Eindruck ist, das es reicht, wenn das Ding den Gewährleitungszeitraum übersteht?

Ich denke das wir als Verbraucher viel mehr auf Nachhaltigkeit drängen müssten. Aber wie stellt der Durchschnittskonsument wie ich das fest? Ich bewege mich doch immer nur im Bereich des Glaubens. Und wohin das führt, wissen wir ja.

Auch im teuersten Restaurant der Stadt kannst du Gammelfleisch serviert bekommen, wenn du Pech hast.

Ich würde gern eine AIO kaufen und mir das rumbasteln ersparen. Aber ich trau den Dingern aus gegebenen Anlass nicht. Auch der Horror, (für mich ist das einer) Wasserkühler auf Gakas zu Nageln, nerft.

Aber auch hier habe ich zu fertigen Komplettlösungen kein Vertrauen. Wobei man zu diesen Preisen wirklich Qualität erwarten könnte. Ich hätte auch kein Problem 30 oder 40 Prozent mehr zu zahlen, wenn dafür wirklich dauerhafte Qualität geliefert würde.

Aber was wirklich passiert haben wir ja an den billlig-Pads bei 2000 - 3000 Euro teueren Grakas gesehen. Die Antwort der Industrie war doch auf Nachfrage ohnegleichen. Ich glaub nicht, das sich da A) was geändert hat und B) was ändern wird. Ich lasse mich aber gern eines besseren belehren.

Apropo Wasserkühlung.

Welche Temperaturen im Wasserkreislauf sind eigentlich noch akzeptabel?

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RedF

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<40°C meine ich. Die Pumpen sind meist bis Max 60°C ausgelegt.

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Megaone

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Ja, hab ich auch irgendwo so gelesen. Aber zu den Aussagen hier hab ich mehr vertrauen.

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RedF

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Habe das wasser auch schon 48°C warm werden lassen um die Luft raus zu treiben. Aber das nur kurzzeitig .
( Kaltes Wasser kann viel mehr Gas aufnehmen )

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Igor Wallossek

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Naja, die Pumpen sind nicht das eigentliche Problem. Ich habe bei Grafikkarten (FuryX und 295) schon mehr gemessen und die laufen heute noch. Open Loop mit günstigem, weichen Schlauch und mehr als 50 °C: flupps!

Man sollte halt darauf achten, dass man kein NoName-Geraffel kauft. Asetek-Produkte sind mittlerweile ganz ok, Arctic war bisher auch eher unaffällig. Deepcool hatte mal ein Pumpen-Issue, aber auch das passt mittlerweile. Cooler Master war auch nicht betroffen...

So ganz unter uns: Ich hoffe, dass dieser Artikel die Einkäufer etwas mehr sensibilisiert. Auch eine Absicht für so einen Artikel :)

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Megaone

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1,742 Kommentare 1,644 Likes

Hilf mir bitte auf die Sprünge. Was bedeutet in dem Zusammenhang Open Loop?

Ich benutze im übrigen pro PC ein leider nicht mehr gebautes externe Aquaduct von Aquacomputer.

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Igor Wallossek

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10,179 Kommentare 18,761 Likes

Open Loop ist eine selbst gebaute, konventionelle Wasserkühlung aus vielen Komponenten. Eine AiO ist als geschlossenes, nicht veränderbares System (Closed Loop) wie eine Maggi-Suppe. Man frisst es oder lässt es. :D

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FritzHunter01

Moderator

1,150 Kommentare 1,567 Likes

Grundsätzlich hast du Recht, heutzutage ist Langlebigkeit nicht mehr Sinne des Kapitalismus! Aber, wenn die AIO nach nur ein paar Monaten den Dienst quitiert, dann läuft was gewaltig schief... und das war bei meiner AiO der Fall. Die war hier Bestandteil der Untersuchung!

Die Untersuchung wurde auch nicht von einem Labor, sondern einem der größten Hersteller für Kühlen und Heizen der Welt durch geführt. (Automotiv Industrie) Die stellen Millionen von Radiatoren im Jahr her und wenn jemand die Lage beurteilen kann, dann die Jungs, die diese Untersuchung für Igor gemacht haben! Das ist der Vorteil, wenn man wie ich in der Industrie tätig ist... CAB Löten ist auch für mich ein täglich Brot

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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