Das Fehlerbild im Detail: Pitting de luxe
Zunächst müssen wir einmal ein paar Begriffe klären. Unter der Rückseite eines Dies (bzw. eines Halbleiterchips) versteht man jene Seite des Siliziumkörpers, die keine aktiven Schaltungen oder metallischen Kontakte aufweist. Diese Rückseite ist die Seite des ursprünglichen Wafers, die während der Prozessierung gewissermaßen nach unten zeigt und auf der keine oder nur wenige prozesstechnische Strukturen vorhanden sind. Die aktive Seite – also die „Vorderseite“ – ist jene Seite, auf der die Transistoren, Verdrahtungsebenen und Passivierungsschichten aufgebaut sind. Dort befinden sich auch die Kontaktpads oder Durchkontaktierungen (bei Flip-Chip-Bauweise), über die der Die elektrisch angebunden wird.
Die von mir untersuchte Rückseite spielt aus mehreren Gründen eine Rolle. Nach der vollständigen Prozessierung der Vorderseite wird die Rückseite z.B. durch mechanisches Schleifen (sogenanntes Backgrinding) auf eine geringere Dicke gebracht. Das dient der Reduktion des Platzbedarfs und verbessert die thermische Leitfähigkeit bei der späteren Montage. In vielen modernen Packages, insbesondere bei GPUs mit hoher Leistungsdichte wie dieser, wird die Rückseite ja zur direkten Wärmeableitung genutzt. Die Rückseite muss also plan und möglichst frei von Defekten sein, damit der Die im Packaging-Prozess sauber montiert werden kann (z. B. per Die-Attach auf einem Träger) und später auch einen guten Kontakt zum Kühlerboden aufweist.
In der Halbleiterproduktion werden Siliziumwafer zunächst in standardisierten Dicken hergestellt. Für bestimmte Anwendungen, insbesondere in der Herstellung kompakter und leistungsfähiger elektronischer Geräte, ist es erforderlich, die Wafer zu dünnen. Der Backgrinding-Prozess ermöglicht es, die Rückseite des Wafers mechanisch abzutragen, um die gewünschte Dicke zu erreichen. Dieser Prozess erfordert hohe Präzision, um Schäden wie Mikrorisse oder Pitting zu vermeiden, die die Funktionalität der Chips beeinträchtigen könnten.
Meine etwas vereinfachte Illustration dieses Verfahrens zeigt, wie der Wafer auf einem rotierenden Chuck-Tisch fixiert ist, während eine Schleifscheibe die Rückseite des Wafers abträgt. Diese Methode wird häufig verwendet, um die Wafer gleichmäßig zu verdünnen:
Beim Backgrinding-Prozess können unter Umständen Beschädigungen der Oberfläche auftreten, insbesondere in Form von Kratzen, Mikrorissen, Delaminationen oder kleinen Vertiefungen (auch als “Pitting” bezeichnet). Diese potenziellen Schäden entstehen vor allem durch die mechanischen Beanspruchungen während des Schleifvorgangs, der typischerweise mittels rotierender Schleifscheiben bei hohem Druck und mit hoher Umdrehungszahl erfolgt. Solche Defekte können unterschiedliche Ursachen haben, wie eine Partikelkontamination in der Schleifumgebung. So können beispielsweise Rückstände vom Wafer selbst oder Abrieb der Schleifscheibe zwischen Schleifscheibe und Rückseite eingeklemmt werden und punktuelle Beschädigungen verursachen. Ungleichmäßiger Druck oder Vibrationen während des Schleifens führen zu Mikroausbrüchen an der Siliziumoberfläche. Diese äußern sich häufig in Form feiner Kratzer oder Grübchen. Der Slider zeigt die typischen Schleifspuren und die Stelle, wo der Die beschädigt wurde:
Übermäßiger Materialabtrag in einem einzelnen Schleifdurchgang kann zu thermomechanischer Belastung führen, insbesondere dann, wenn die Kühlung unzureichend ist. Dies begünstigt Rissbildung oder lokale Materialausbrüche. Durch das Entfernen eines erheblichen Anteils der ursprünglichen Waferdicke wird das Substrat insgesamt fragiler. Schon geringe lokale Defekte können sich im späteren Handling negativ auswirken, insbesondere wenn thermische oder mechanische Stresseinwirkung erfolgt (z. B. im Reflow-Prozess beim Löten oder bei der Montage).
Um diesen Risiken zu begegnen, werden in der Industrie mehrere Gegenmaßnahmen eingesetzt und der Backgrinding-Prozess erfolgt meist mehrstufig: Zuerst grobes Schleifen (coarse grind), danach ein feinerer Schliff (fine grind) und optional ein zusätzlicher Polierschritt oder Plasma Cleaning, um oberflächennahe Defekte zu reduzieren. Außerdem verwendet man Schleifschlämme mit abrasiven Partikeln definierter Größe und abgestimmter Härte, um einen kontrollierten Materialabtrag bei minimaler Oberflächenbelastung zu ermöglichen. Anschließend erfolgt die Reinigung zur Entfernung von Partikeln, die zu Folgeschäden führen könnten (z. B. durch Ultrareinwasser-Spülung oder Megasonikreinigung). In empfindlichen Anwendungen kann zudem nach dem Backgrinding auch noch ein Rückseitenpassivierungsschritt erfolgen (z. B. Siliziumnitridabscheidung), um Oberflächendefekte zu versiegeln.
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