Dass das vermeintlich einfache Geschäft mit Wärmeleitpasten blüht, weiß eigentlich mittlerweile jeder, der schon einmal nach einer Paste gesucht hat und von den Offerten samt blühender Daten-Phantasie geradezu erschlagen wurde. Dass die gesetzlichen Vorschriften zu jedem Produkt auch korrekte Spezifikationen und Sicherheitsdatenblätter einfordern, wissen sensibilisierte Leser mittlerweile natürlich Denn ich hatte ja vor Kurzem bereits die EC360 Ruby von Jaden Technologies im Test und mich da über fehlende bzw. sogar falsche Informationen zu Recht aufgeregt. Dieses Produkt hat mich dann getriggert, auch die restlichen drei der insgesamt vier angebotenen Pasten zu testen, um mir ein möglichst vollständiges und objektives Bild zu machen, denn ein Ausreißer kann ja mal dabei sein. Im Zweifelsfall vermutet man ja erst einmal die Unschuld.
Eigentlich war das alles nur als Bestandsaufnahme gedacht, nur muss ich mich jetzt nach den Tests fragen, ob der Anbieter (es ist natürlich weder ein Hersteller noch ein Einkäufer mit eigenem Engineering) überhaupt weiß, auf was er sich da mit den Wärmeleitpasten eingelassen hat. Ich gebe zu, ich bin ein klein wenig geschockt, wie gedankenlos man hier Produkte anbietet, diese selbst noch nicht einmal hinterfragt und dann in Panik komplett aus allen Shops wirft, weil man sich plötzlich ertappt fühlt. Zu Recht, nur hätte man das ja auch mit der kurzfristigen Korrektur und Bereitstellung richtiger Daten auch ohne Exitus lösen können, anstelle gleich die ganzen Produkte möglichst spurlos verschwinden zu lassen.
Wieso ich dem Anbieter hier jetzt pauschal mangelndes Wissen unterstelle, möchte ich gern anhand eines kleinen Spoilers belegen, der die Positionierung der vier Pasten im eigenen Portfolio zeigt und deren Werte nun so gar nicht mit der realen Performance übereinstimmen. Denn eigentlich hat man sich selbst übervorteilt, indem man die beste aller vier Pasten als zweitbilligste verscherbelt und den hochgelabelten Schmand dafür umso teurer. Hier vorab einmal ein kleiner Vorgriff auf meine Recherchen, wobei sich die Spitzenposition der EC360 Emerald im Test zumindest bei den ganz kleinen Schichtdicken und der Haltbarkeit wieder etwas relativiert. Aber dazu gleich mehr, schauen wir erst einmal auf die Tabelle und wundern uns (und da Jaden Technologies sicher mitliest, die natürlich auch):
Positionierung Hersteller | Produkt | Herstellerangaben | Echte Bulk-Messwerte | Ergebnis |
1. Oberklasse | EC360 Ruby | 13.4 W/m·K | 3.93 W/m·K | 3. Untere Mittelklasse |
2. Mittelklasse | EC360 Diamond | 11.0 W/m·K | 4.06 W/m·K | 2. Obere Mittelklasse |
3. Einsteiger | EC360 Emerald | 9.0 W/m·K | 4.62 W/m·K | 1. Oberklasse |
4. Low-Budget | EC360 Carbon | 5.15 W/m·K | 2.07 W/m·K | 4. Low Budget |
Schauen wir nun auf die Preise für die 4-Gramm-Tuben und rätseln: Die EC360 Emerald als am besten performende Paste verschleudert man für 4.99 Euro, was aber nur 1 Euro teurer ist als die komplett unnütze EC360 Carbon mit 3,99 Euro als schlechteste Paste. Die EC360 Diamond ist deutlich schlechter als die EC360 Emerald, kostet dafür aber fast das Doppelte. Die EC360 Ruby ist mit rund 9 Euro ebenfalls kein Schnäppchen, aber ebenfalls nur Mittelmaß. Der Hersteller hat hier in Deutschland (kurz nach meinem letzten Video und Einlassungen im Forum) alle vier Pasten vom Markt genommen (und somit in den Google-Links eine 404 hinterlassen), was komplett überzogen ist, denn man hätte ja sehr einfach nachbessern können. Im eigenen Webshop verkauft man jetzt stattdessen die Arctic MX-4, aber ob das wirklich weiterhilft?
Datenblätter und Sicherheitsunterlagen sind innerhalb eines Werktages locker ins System einzupflegen und bei der BAuA anzumelden. Es sei denn, man hat keinen Zugriff auf die Daten des Urhebers dieser Produkte und verkauft Dinge, von denen keiner weiß, was es eigentlich ist. Die preislich so vogelwilde Einordnung der Pasten lässt mich aber eher auf Letzteres tippen. Fun Fact: man kann diese Pasten vereinzelt noch im Nicht-EU-Ausland kaufen, sich jedoch nicht mehr nach Deutschland liefern lassen. Oops…
Nun bin ich ja niemand, mit dem man nicht reden könnte oder der sich einer konstruktiven Auskunft verweigert. Aber leider hat man es vorgezogen, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und das Geschäft (vorerst) aufzugeben. Auch das als Spoiler vorab: es ist kein wirklicher Verlust. Aber die EC360 Emerald hätte das Zeug zu einer nahezu idealen Paste für Anwender gehabt, die eine wirklich hohe Performance für einen nicht extrem langen Zeitraum benötigen und damit keine Grafikkarten bespachteln wollen. Ich werde sie übrigens bei meinen kommenden CPU-Tests mit aufbrauchen (bis auf die Rückstellprobe), weil sie unter diesen Bedingungen exzellent funktioniert.
Kommen wir nun noch zum Test-Setup, dass ich in Zukunft nicht mehr als Text und Bild in die Artikel einfügen werde, sondern für das ich extra passende Grundlagenartikel samt Vorstellung des Equipments und der Messmethoden geschrieben habe, um mir und Euch ein wenig die Redundanz zu sparen. Wer das Wissen nachlesen oder auffrischen möchte, der nutzt bitte die folgenden Links zu den beiden Messaufbauten für ASTM D5470-17 mit dem Nanotest TIMA5 und LIBS samt Mikroskopie mit dem Keyence VX-7100 und EA-300:
Nach so viel Einführung kommen wir nun zur praktischen Seite und den Messungen, also einmal Umblättern bitte.
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