Grundlagenartikel Motherboard System Testberichte

Drei X570 Motherboards im Test – falsche Sensorwerte, fehlerhaftes Precision Boost Overdrive (PBO) und unterschiedliche Performance

Eigentlich wollte ich lediglich drei der günstigsten Motherboards mit X570-Chipsatz und einem Ryzen 5 3600X vergleichen, musste aber schnell feststellen, dass man am Ende durchaus widersprüchliche Dinge ausliest, die so nicht plausibel und auch mit Logik nicht zu erklären sind. Deshalb erfolgt heute der erste Versuch einer Ursachenforschung und Klärung, allerdings stellt sich bei jeder gelösten Frage gleich eine neue.

Ein direkter Vergleich im 95-Watt-Limit

Wir haben gesehen, dass die Boards bei der Leistungsaufnahme sehr unterschiedlich agieren. AMDs Precision Boost Overdrive (wenn es denn richtig implementiert ist) bietet eine sehr hilfreiche Option, um die aufgenommene Leistung am Eingang (EPS) künstlich zu begrenzen und die anderen Vorgaben zu überschreiben. Mit dem Wert für PPT (Package Power Tracking) kann man also genau das einschränken und festlegen, was an Leistung maximal vom Board aufgenommen wird. Dann wird es interessant sein zu sehen, wie viel Leistung davon noch an der CPU ankommt und wie sich das ggf. im Takt wiederspiegelt.

Das ASRock X570 Pro 4 ist hier allerdings die unrühmliche Ausnahme, denn PPT funktionierte mit keinem der verfügbaren BIOSe (bis hin zum aktuellsten). Dazu kommt, dass alle weiteren Features (z.B. Eco für die 65 Watt Matisse CPUs mit einer 80 Watt Limitierung als PPT) kläglich ignoriert wurden und am Ende auch komplett versagten. Egal, was im BIOS eingestellt wurde, das Board hat stets die volle Leistung abgerufen. Interessanterweise lief der maximale Takt im ECO-Mode nur bis 3,8 GHz im Teillastbereich. Wenn aber Cinebench R20 oder Prime95 gestartet wurden, schnellte der CPU-Takt wieder auf die üblichen knapp 4,1 GHz Allcore und die Leistungsaufnahme auf über 122 Watt. Das betraf auch alle anderen Limitierungen, egal ob nun über die Leistung oder die Maximalströme. Das allerdings widerspricht allem, was PBO eigentlich ausmacht.

Ich habe die Boards jetzt mit dem 95-Watt-Limit noch einmal gemessen und direkt verglichen:

PPT Limit 95 W
Messwert/Auslesewert Asus
Prime X570-P
MSI
X570-A Pro
ASRock
X570 Pro 4*
Gigabyte
A320M S2H V2
12 Volt EPS (Messung) 97.8 W 96.6 W 122,1 W 107.2 W
12 Volt 24-Pin (Messung) 5.1 W 6.0 W 5,1 W 5.2 W
Package Power (Sensor) 97.1 W 97.3 W
53,4 W 97.4 W
CPU-Power (CPU Kerne, Berechnung) 83.2 W 64.8 W
92.1 W
78.7 W
CPU-Power (Sensor) 54.5 W 66.7 W
38.3 W
77.2 W
SoC-Power (Sensor) 13.8 W* 7.5 W 4,2 W 8.5 W
CPU + SOC (Sensor) 68.3 W 74.2 W 42.5 W 85.7 W
CPU + SOC (Berechnung) 96.9 W* 71.2 W 96.3 W
87.1 W
Core Clock (Average)
4031 MHz
3953 MHz
4073 MHz
4031 MHz

Der Endtakt ist abhängig von den Spannungswandlerverlusten!

Da das ASRock X570 Pro 4 nicht drosselbar ist, lasse ich es aus dieser Betrachtung heraus. Das Asus-Board mit den besten Spannungswandlern hat unterm Strich die beste Performance, denn bei nahezu identischer Leistungsaufnahme am EPS erhält die CPU die meiste Power, logisch. Da alle Boards auch beim normalen OC intern an Limits laufen, ist es somit auch eine plausible Erklärung, warum manche Boards bei gleichem Leistungseinsatz einfach höher takten können, denn es kommt einfach mehr Leistung an der CPU an!

Asus Prime X570-P (108 W EPS Power Consumption)

Das Asus-Board taktet mit knapp 98 Watt realer Leistungsaufnahme fast genauso schnell wie das ASRock X570 Pro 4 ohne Drosselung und 122 Watt. Die 42 MHz Mehrtakt werden durch eine um 24 Watt (!) höhere Leistungsaufnahme bitter erkauft. Hier rächen sich dann auch die ineffizienten Spannungswandler, denn es wird deutlich mehr Leistung sinnlos in Abwärme umgesetzt, bevor man überhaupt die CPU erreicht.

ASRock X570 Pro 4 (122 W EPS Power Consumption)

Im Umkehrschluss ist das MSI-Board bei gleicher Leistungsaufnahme fast 80 MHz langsamer, aber man hält sich wenigstens penibel an die vorgegebene Limitierung, während sich das kleine Gigabyte-Board knapp 10 Watt mehr am EPS genehmigt, um beim Takt mit Asus auf Gewalt gleichzuziehen. Die Bilder des kleinen Glühwürmchens kennen wir ja schon. Asus und MSI halten sich strikt an die PBO-Limits, Gigabyte zumindest ansatzweise und ASRock ignoriert diese gleich mal komplett. Durchgefallen.

Zusammenfassung und Fazit

Solange keines der Boards irgendwelchen Begrenzungen ausgesetzt wird, sei es durch manuelles Setzen von PBO-Limits oder dem Erreichen der Grenzwerte beim manuellen OC, solange tun alle Bords „out of the box“ brav das, was sie sollen. Im Grenzbereich, und das gilt auch für die Übertaktung, sind logischerweise die Boards mit den effizienteren Spannungswandlern im Vorteil, weil einfach mehr Power auch an der CPU ankommt. Interessant auch, dass der B350-Chipsatz im Vergleich zu den X570-Chipsätzen keinerlei messbare Takt-Nachteile bietet, im Gegenteil. Trotz der schlechtesten Spannungswandler ist das Board mit dem alten Einsteiger-Chipsatz zumindest beim Takt sogar noch leicht im Vorteil. Wer also kein PCIe Gen. 4 braucht, ist unter Umständen mit einem älteren Chipsatz sogar schneller (und sparsamer) unterwegs.

Wer sparen muss und will, kann auch zum günstigsten MSI X570-A Pro für unter 170 Euro greifen, denn schreddern wird er es nicht, solange man die VRM-Kühler nicht entfernt. Zum Übertakten im Grenzbereich taugt es allerdings weniger, denn die Effizienz der Spannungswandler reicht für einen Mittelklasse-PC sicher aus, für solche Experimente hingegen nicht.Es war allerdings das leiseste Board wegen des geregelten Chipsatzlüfters mit Semi-Passiv-Modus.

Für die angehenden Übertakter im X570-Einsteiger-Bereich kann das Asus Prime X570-P (ab ca. 185 Euro) mit dem kühlen DrMOS punkten, das bei gleicher Leistungsaufnahme einen höheren Takt schafft. Die CPU-Spannung ist übrigens identisch zu dem, was auf dem MSI-Board ankommt, nur fließt am Ende ein klein wenig mehr Strom zur CPU. Allerdings nervt der Miefquirl recht ordentlich und jede etwas größere Grafikkarte verdeckt die Lüfteröffnung fast komplett. Dabei dreht der Lüfter dann auch schnell einmal auf weit über 4000 U/min hoch, was man deutlich wahrnehmen kann. Dass die Abluft der Grafikkarte hier bei der Kühlung hilft, ist eine Urban Legend.

Asus Prime X570 + GeForce RTX 2080 Ti – Chipset Fan

Das ASRock X570 Pro 4 disqualifiziert sich durch seine fehlerhafte Firmware leider selbst, zumal der Preis fast ähnlich hoch ausfällt, wie beim Asus-Board. Ohne die funktionierenden PBO- und Stromsparfeatures ist dieses Board definitiv keine Empfehlung, zumal auch hier der Chipsatzlüfter akustisch sehr unangenehm auffällt. Die Spannungswandler sind einen Tick besser als auf dem MSI-Board, aber auch noch nicht wirklich prall. Womit sich wirklich die Frage nach dem Sinn oder Unsinn der preiswerteren X570-Motherboards stellt, denn günstig sind sie alle nicht.

Der heutige Artikel ist somit auch kein Motherboard-Test im herkömmlichen Sinne, sondern er zeigt einmal mehr, warum es sich durchaus lohnt, im Vorfeld auch genauer hinzuschauen und manche Dinge dann noch einmal andersherum zu beleuchten. Wenn man AM4-Motherboards testet, sollte man unbedingt auch nachprüfen, was man an Leistung wirklich zuführen muss, um am Ende eine bestimmte Performance zu erreichen. Einfach nur Sensoren zu glauben führt leider oft genug in die Irre. So auch hier.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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