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Der Morgen danach – Reflektionen der Arc A380 Premiere und (k)ein zweites Fazit

Ich habe mich gestern nach dem „Launch“ hingesetzt und erst einmal Feedback gesammelt. Dann habe ich mit Kollegen gesprochen und auch diverse Begründungen von Intel zum Status Quo zur Kenntnis genommen, bis hin zu PR-Auftritten bei (nennen wir es mal wohlwollendend) Intel zugeneigten YouTubern. Das Lustige daran war ja, dass man eigentlich im Nachgang gar nichts erklären müsste, wenn man im Vorfeld wirklich sauber gearbeitet hätte. Denn die Fakten als objektiv ermittelte Ergebnisse sprechen da eine doch sehr eindeutige Sprache und diese Weisheit gilt nun mal auch auch für Hersteller. Aber: Schuld sind sowieso immer die anderen. Ich denke, ich spreche hier auch für die anderen deutschen Kollegen, dass die Tests viel schlimmer nicht hätten verlaufen können.

An meiner persönlichen Beurteilung habe ich auch nichts zu korrigieren, auch nicht an der Härte. Denn die Karte existiert physikalisch, sie war originalverpackt und wenn drei deutsche Redaktionen unabhängig voneinander (und ohne während der Tests groß miteinander zu kommunizieren) zum gleichen Fazit kommen, dann ist das durchaus bereits einigermaßen repräsentativ, denn hier haben drei erfahrene Kollegen sehr fair, objektiv und vorurteilsfrei getestet und eben keine Fähnchen-schwenkenden Influencer. Die Umstände der provozierten Beschaffungskriminalität im Vorfeld und die ganzen technischen Hürden lasse ich da mal außen vor, denn das Versteckspiel des Herstellers hat ja handfeste Gründe, die man nur nicht zugeben möchte, auch wenn es wahre Größe gezeigt hätte. Charakterlich, nicht wirtschaftlich, wohlgemerkt.

Was mich an manchen Kommentaren jedoch irritiert hat, ist der plötzliche Welpen-Beschützer-Instinkt, der immer dann ausbricht, wenn man etwas Kleines und Zerbrechliches schützen möchte. Ja, es ist die erste für den Consumer-Markt entwickelte dedizierte Grafikkarte von Intel seit gefühlten Ewigkeiten, doch es handelt sich bei Intel weder um einen sympathischen Underdog, noch um ein zerbrechliches Pflänzchen, dass man ja nicht zertreten darf. Hier hat ein Multi-Milliarden-Konzern mit extensiv zugekauftem Personal und Know-How (auch in den Köpfen) sowie vielen Jahren Entwicklungszeit und nahezu unendlich scheinenden Ressourcen grandios versagt. Anders kann und darf man das nicht bezeichnen. Der im Fußball gern genommene Spruch vom Geld, das allein noch keine Tore schießt, lebt auch in der IT munter weiter und dass man dann ein unfertiges Produkt mit noch unfertigeren Treibern den Kunden für teures Geld verkauft, darf und muss durchaus kritisiert werden.

Ich habe vor reichlich einen Jahr etwas zum Ende von Arctic Sound geschrieben und lag damals mit meiner Einschätzung eigentlich goldrichtig. Wenn man dann jetzt das Drama und die Argumentationsketten um und zu Resizeable BAR betrachtet, wo Intel den Schuldigen im Speichercontroller festmacht, der ja für trivialen Kleinkram nicht gemacht sei, dann muss man sich schon fragen, wie viele Reste von fehlgeschlagenen Entwicklungen in Intels Alchemist eigentlich zweitverwertet wurden, um wenigstens irgendetwas vorzeigen zu können. Geld, Sand, setzen. Denn Intels Arc Serie ist eben nicht die erste GPU von Intel und Xe-HP als Arctic Sound kam damals nur nicht mit Grafikausgängen. So gesehen ist das großzügige Verzeihen von Fehlern vermeintlicher Erstlingswerke eher unangebracht. Ich möchte auch nicht wissen, wie viele Gene so eines unglücklichen Arctic Sound Tiles noch in der A380 stecken. Oder doch? Neugierig bin ich da eigentlich schon.

Exklusiv: Ist Intels Arctic Sound bereits tot? – Zwei existierende Modelle samt Specs, Bildern und einigen Fragen

Mitleid ist natürlich angebracht, aber nicht Intel gegenüber, sondern meines gilt uneingeschränkt denen, die Ihr Geld für solche Produkte ausgegeben haben, weil die PR-Maschinerie abendfüllende Propaganda vom Allerfeinsten produziert und man dann als Konsument darauf vertraut hat. Vertrauen ist auch exakt das Stichwort, auf das es hier wirklich ankommt. Denn ich kann nichts produktiv einsetzen, von dem ich nicht wissen kann, ob es in den nächsten fünf Minuten nicht meine bis dahin geleistete Arbeit mit einer crashenden Geste von Nonchalance einfach mal eben so zerstört. Und in den Treibern samt GUI stecken so viele technische Stockfehler und Nachlässigkeiten, dass man glatt den Glauben an die programmierende Menschheit verlieren könnte. Sicher, Programmierer wachsen auch nicht auf Bäumen, aber Intel hat ja nicht etwa bei null angefangen. Das sollte man nie vergessen und auch die mit in die Kritik einbeziehen, die dem Ruf des Geldes willig gefolgt sind und nichts hinbekommen haben, was wirklich belastbar wäre.

Produkte können floppen, keine Frage, aber dann muss man auch so ehrlich zu sich selbst sein und rechtzeitig den Stecker ziehen. Dieser sich bereits gefühlte Ewigkeiten hinziehende Salami-Launch, wo bei Intel im Hintergrund immer noch an der verhunzten Telemetrie geschraubt wird, während die PR schon wieder hyperventiliert, wirkt auf den Außenstehenden viel negativer, als ein ehrliches Statement und ein seriöser Cut. Pat hat jetzt immerhin auch seinen ersten echten Vega-Moment und Raja nicht das erste Déjà-vu. Nötig gewesen wäre das nicht, aber vermeidbar. Ein paar Dinge werde ich vielleicht noch nachmessen und auch die A750, falls sie sich doch noch materialisiert mal unter die Lupe nehmen. Ob die dann aus Asien oder zur Abwechslung aus Afrika kommt, ist mir eigentlich auch egal. Dass man uns Europäern dieses aktuelle Nicht-Glanzstück amerikanischer Ingenieurskunst bewusst vorenthalten hat, ist auch eine Art Erkenntnis. Und es ist auch nicht das erste A380-Produkt, das scheitert. Das andere war noch viel, viel größer. Aber es hat wenigstens funktioniert und es ist auch nicht einmal gecrasht oder abgestürzt.

Intel Arc A380 6GB im Test: Gunnir Photon samt Benchmarks, Detailanalysen und ausführlichem Teardown

 

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Kommentar

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Tarkin77

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Danke Igor für deine ehrliche Meinung und die super Testberichte!

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konkretor

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Meine Güte Igor haben Sie dich gestern so voll gespammt?

Ich mag doch kleine blaue Einhörner

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RedF

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4,607 Kommentare 2,522 Likes

Um mal den Auto vergleich zu machen.
Der größte Motorenhersteller der Welt ( intel ) baut ein Auto.
Leider leidet der Kleinwagen A380 nicht nur an ungenauen Spaltmaßen, nein er bleibt auch noch andauernd stehen.
Es scheint nicht nur an der Motorsteuerung sondern auch am Motor selber zu liegen.

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RX480

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Es wäre trotzdem schön, wenn Intel vor der Beerdigung noch XeSS(DP4a) für Alle verfügbar macht.

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meilodasreh

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Ja, Intel hat's total verkackt, auf mehr als einer Ebene, und da gibt's auch nichts zu beschönigen.
Gut, daß das jetzt nochmal ganz genau mittels eines extra Artikels erklärt wurde, falls gestern jemand die nur ganz subtil zwischen den Zeilen zu lesenden Hinweise übersehen hatte :rolleyes:

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Deridex

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2,204 Kommentare 843 Likes

Du meinst (CB) Wolfgangs subtiler Minenfeldvergleich? :D

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Igor Wallossek

1

10,122 Kommentare 18,630 Likes

Es war die Pest, der Award ging ja auch steil viral. Bis hin zu Kanälen wie Gamer Meld. YouTube ist echt die Pest, was blaue Fanboys betrifft. Und Linus mit seinen Sponsorvideos... naja, lassen wir das. Der braucht ja auch Nutella aufs Brot :D

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Phoenixxl

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157 Kommentare 118 Likes

Ich bin gespannt ob Teflon Raja das überlebt oder ob sich nicht doch der Eindruck erhärtet, dass die unter seiner Regie entwickelten Produkte prinzipiell dazu neigen erheblich weniger zu halten, als versprochen wird.

Ich erinnere an "Poor Volta" das wohl besser "Poor Vega" hätte heißen sollen.

Nichtsdestotrotz hoffe ich wirklich, dass Intel in den nächsten Jahren einen soliden Treiber hinbekommt.
Ich befürchte allerdings, dass die sinkenden Preise (aufgrund der sinkenden Nachfrage wegen des Crypto Crashs) dazu führen wird, dass Intel das Feld wieder AMD und Nvidia
überlassen wird.

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m
meilodasreh

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...wie macht sich Nutella eigentlich als Wärmeleitpaste?
Sorry, offtopic, aber ich hab Urlaub und frühstücke grad, da kommen solche Gedanken einfach manchmal :LOL:

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meilodasreh

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das wird ein nur sehr vorübergehender Effekt, und hat keinen Einfluss auf langfrist-Pläne wie eine GPU-Produktlinie im Markt zu etablieren.

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RX480

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1,819 Kommentare 826 Likes

... aus guten Gründen NIE als GamerGPU verkauft wurde

Immer diese sinnlosen Bezüge zu alten Sätzen, von Leuten die net mal das Review im Luxx gelesen haben.
Volta hatte keinen ausreichenden Mehrwert ggü. ner 1080Ti.

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HerrRossi

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6,774 Kommentare 2,241 Likes

Ich finde es schade, dass das Produkt so hart gefloppt ist. Nicht weil ich Intel so mag, sondern weil wir Verbraucher dringend Konkurrenz auf dem Grafikkartenmarkt brauchen.
Weiß man denn, ob Intel weitermachen will oder wird das Projekt "Intel GPU" wieder eingestampft?

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meilodasreh

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Ich denke, man schaut sich dort grad nochmal ganz genau die Architektur von battlemage an, und (je nach Stand der Entwicklung) auch celestial an (druid existiert wohl nur vom Namen her).
Wenn man dann der Meinung ist, daß diese Generationen in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen konkurrenzfähig hingestellt werden können,
dann wird man das tun...ansonsten sehe ich schwarz.

Denn eines ist wohl klar: Noch einen zweiten komplett-Reinfall kann man sich auf gar keinen Fall erlauben.

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FritzHunter01

Moderator

1,121 Kommentare 1,511 Likes

Die amerikanische Grundphilosophie "minimum viable product" kann nicht immer klappen. Wenn die Hardware nicht passt, wird es schwierig. Software kann man mit Updates noch retten... Die Platine zu updaten geht nicht und hier liegt der Hasse im Pfeffer. (Wobei, wenn ich alle Karten zurückrufe und dem Kunden eine überarbeitet Version geben, dann schon. Wird Intel nicht machen.)

Die PR und die obere Management-Etage von Intel muss lernen - mit der berechtigten Kritik klarzukommen. (LDS = Lernen durch Schmerz) Wer dieses Verhalten (Versteckspiel in Asien, Launch-Verschiebungen und die klassiche Selbstbelobigung) von Intel noch zu rechtfertigen versucht, der ist in den Fängen der PR-Maschine ein wohlgesehenes Opfer. Weder Intel, noch AMD und schon gar nicht NVIDIA - sind in Wirklichkeit am Wohlbefinden der Gamer interessiert. Die sind nur mittel zum Zweck. Diese Unternehmen sind einzig den Aktionären verpflichtet! (Heiter werden all die Mienen bei dem schönen Wort - Verdienen!)

Wer das nicht versteht, der glaubt auch, dass die vierte Corona-"Impfung" (aus der selben Flasche) uns alle retten wird... Willkommen im Leben

Intel wurde gemessen, gewogen und im GPU-Einsteigersegment 2022 - für Eindeutig nicht gut genug befunden! Da hilft auch das Mimimimi einiger Intel-Anbeter nicht.

Intel kann z.B. mit der A770 immer noch einen raushauen - wenn der Preis und die Verfügbbarkeit am Ende passen. Sorgen mache ich mir eher in Bezug auf XeSS, Speed Sync und Smooth Sync. Es klingt vielversprechend, der erste harte Aufschlag auf dem Boden der Realität ist nun erfolgt. Bisher leider alles nur PR...

Zumal Speed und Smooth Sync reine Intel-Features (nicht open source) sind, die einem am Ende mit nicht-funtionierender Hard- und/oder Software auch nix bringen!

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Klicke zum Ausklappem
grimm

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Es bliebt die Erkenntnis, dass die einfach versucht haben, ihre Investments zu retten - und nicht komplett neu angesetzt haben. Ich hatte auch gehofft, dass mit dem dritten Player ein bisschen Leben in die Bude kommt. Bin auch immer wieder überrascht, wie sehr sich Menschen über Fakten aufregen können – O Tempora, O Mores!

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RAZORLIGHT

Veteran

355 Kommentare 261 Likes

Eben wegen diesen knallharten ehrlichen Worten, besuche ich Igorslab täglich.
Da wird nicht um den heißen Brei gelabert, (gibt's in der Politik schon mehr als genug) sondern knallhart und ehrlich mit Fakten untermauert.

Selbst wenn Alchemist besser geworden wäre, der Zeitpunkt ist einfach viel zu spät (und zu teuer). Meine Einschätzung von Raja hat sich ebenfalls wieder bestätigt.

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Case39

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2,488 Kommentare 925 Likes
grimm

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3,074 Kommentare 2,025 Likes

Mir auch völlig unverständlich, dass die in einer globalisierten Welt davon ausgehen, dass eine Veröffentlichung in Asien keine Aufmerksamkeit erregt - aus Sicht der Amerikaner ergibt das vielleicht Sinn, aber mal ernsthaft...

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m
meilodasreh

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572 Kommentare 284 Likes

Daran sind schon jede Menge - vor allem größere - Unternehmen in böse Schieflage geraten.
Wenn man den Bezug zum Kunden verliert und nur noch im eigenen bürokratischen Saft agiert, um am Ende eine schöne Bilanz hinzuzaubern, dann ist das der erste Schritt in Richtung Abgrund.
Umsatz bzw. Gewinn wird durch Verkauf von Produkten generiert.
Und die kaufen nicht die Aktionäre, im Gegenteil, die wollen Geld (Dividende).

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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