Ich habe mich gestern nach dem “Launch” hingesetzt und erst einmal Feedback gesammelt. Dann habe ich mit Kollegen gesprochen und auch diverse Begründungen von Intel zum Status Quo zur Kenntnis genommen, bis hin zu PR-Auftritten bei (nennen wir es mal wohlwollendend) Intel zugeneigten YouTubern. Das Lustige daran war ja, dass man eigentlich im Nachgang gar nichts erklären müsste, wenn man im Vorfeld wirklich sauber gearbeitet hätte. Denn die Fakten als objektiv ermittelte Ergebnisse sprechen da eine doch sehr eindeutige Sprache und diese Weisheit gilt nun mal auch auch für Hersteller. Aber: Schuld sind sowieso immer die anderen. Ich denke, ich spreche hier auch für die anderen deutschen Kollegen, dass die Tests viel schlimmer nicht hätten verlaufen können.
An meiner persönlichen Beurteilung habe ich auch nichts zu korrigieren, auch nicht an der Härte. Denn die Karte existiert physikalisch, sie war originalverpackt und wenn drei deutsche Redaktionen unabhängig voneinander (und ohne während der Tests groß miteinander zu kommunizieren) zum gleichen Fazit kommen, dann ist das durchaus bereits einigermaßen repräsentativ, denn hier haben drei erfahrene Kollegen sehr fair, objektiv und vorurteilsfrei getestet und eben keine Fähnchen-schwenkenden Influencer. Die Umstände der provozierten Beschaffungskriminalität im Vorfeld und die ganzen technischen Hürden lasse ich da mal außen vor, denn das Versteckspiel des Herstellers hat ja handfeste Gründe, die man nur nicht zugeben möchte, auch wenn es wahre Größe gezeigt hätte. Charakterlich, nicht wirtschaftlich, wohlgemerkt.
Was mich an manchen Kommentaren jedoch irritiert hat, ist der plötzliche Welpen-Beschützer-Instinkt, der immer dann ausbricht, wenn man etwas Kleines und Zerbrechliches schützen möchte. Ja, es ist die erste für den Consumer-Markt entwickelte dedizierte Grafikkarte von Intel seit gefühlten Ewigkeiten, doch es handelt sich bei Intel weder um einen sympathischen Underdog, noch um ein zerbrechliches Pflänzchen, dass man ja nicht zertreten darf. Hier hat ein Multi-Milliarden-Konzern mit extensiv zugekauftem Personal und Know-How (auch in den Köpfen) sowie vielen Jahren Entwicklungszeit und nahezu unendlich scheinenden Ressourcen grandios versagt. Anders kann und darf man das nicht bezeichnen. Der im Fußball gern genommene Spruch vom Geld, das allein noch keine Tore schießt, lebt auch in der IT munter weiter und dass man dann ein unfertiges Produkt mit noch unfertigeren Treibern den Kunden für teures Geld verkauft, darf und muss durchaus kritisiert werden.
Ich habe vor reichlich einen Jahr etwas zum Ende von Arctic Sound geschrieben und lag damals mit meiner Einschätzung eigentlich goldrichtig. Wenn man dann jetzt das Drama und die Argumentationsketten um und zu Resizeable BAR betrachtet, wo Intel den Schuldigen im Speichercontroller festmacht, der ja für trivialen Kleinkram nicht gemacht sei, dann muss man sich schon fragen, wie viele Reste von fehlgeschlagenen Entwicklungen in Intels Alchemist eigentlich zweitverwertet wurden, um wenigstens irgendetwas vorzeigen zu können. Geld, Sand, setzen. Denn Intels Arc Serie ist eben nicht die erste GPU von Intel und Xe-HP als Arctic Sound kam damals nur nicht mit Grafikausgängen. So gesehen ist das großzügige Verzeihen von Fehlern vermeintlicher Erstlingswerke eher unangebracht. Ich möchte auch nicht wissen, wie viele Gene so eines unglücklichen Arctic Sound Tiles noch in der A380 stecken. Oder doch? Neugierig bin ich da eigentlich schon.
Mitleid ist natürlich angebracht, aber nicht Intel gegenüber, sondern meines gilt uneingeschränkt denen, die Ihr Geld für solche Produkte ausgegeben haben, weil die PR-Maschinerie abendfüllende Propaganda vom Allerfeinsten produziert und man dann als Konsument darauf vertraut hat. Vertrauen ist auch exakt das Stichwort, auf das es hier wirklich ankommt. Denn ich kann nichts produktiv einsetzen, von dem ich nicht wissen kann, ob es in den nächsten fünf Minuten nicht meine bis dahin geleistete Arbeit mit einer crashenden Geste von Nonchalance einfach mal eben so zerstört. Und in den Treibern samt GUI stecken so viele technische Stockfehler und Nachlässigkeiten, dass man glatt den Glauben an die programmierende Menschheit verlieren könnte. Sicher, Programmierer wachsen auch nicht auf Bäumen, aber Intel hat ja nicht etwa bei null angefangen. Das sollte man nie vergessen und auch die mit in die Kritik einbeziehen, die dem Ruf des Geldes willig gefolgt sind und nichts hinbekommen haben, was wirklich belastbar wäre.
Produkte können floppen, keine Frage, aber dann muss man auch so ehrlich zu sich selbst sein und rechtzeitig den Stecker ziehen. Dieser sich bereits gefühlte Ewigkeiten hinziehende Salami-Launch, wo bei Intel im Hintergrund immer noch an der verhunzten Telemetrie geschraubt wird, während die PR schon wieder hyperventiliert, wirkt auf den Außenstehenden viel negativer, als ein ehrliches Statement und ein seriöser Cut. Pat hat jetzt immerhin auch seinen ersten echten Vega-Moment und Raja nicht das erste Déjà-vu. Nötig gewesen wäre das nicht, aber vermeidbar. Ein paar Dinge werde ich vielleicht noch nachmessen und auch die A750, falls sie sich doch noch materialisiert mal unter die Lupe nehmen. Ob die dann aus Asien oder zur Abwechslung aus Afrika kommt, ist mir eigentlich auch egal. Dass man uns Europäern dieses aktuelle Nicht-Glanzstück amerikanischer Ingenieurskunst bewusst vorenthalten hat, ist auch eine Art Erkenntnis. Und es ist auch nicht das erste A380-Produkt, das scheitert. Das andere war noch viel, viel größer. Aber es hat wenigstens funktioniert und es ist auch nicht einmal gecrasht oder abgestürzt.
Intel Arc A380 6GB im Test: Gunnir Photon samt Benchmarks, Detailanalysen und ausführlichem Teardown
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