Messung nach ASTM 5470-17
Diese Paste nutzt eine Formulierung, bei der der Füllstoffanteil bereits nahe an der maximal möglichen Packungsdichte liegt, sodass nur noch ein sehr geringer Anteil an Trägermatrix (üblicherweise Silikonöl) verbleibt, um eine homogene, verarbeitbare Paste zu gewährleisten. Genau dieses Verhältnis scheint bei dem analysierten Material aber problematisch. Die lineare Regressionskurve der ASTM-konformen Messung zeigt eine sehr hohe thermische Leitfähigkeit von 6,825 ± 0,050 W/mK bei gleichzeitig niedriger thermischer Grenzflächenwiderstand von 3,2 ± 0,3 mm²K/W. Das deutet auf einen extrem engen Partikelverbund hin, der durch eine beinahe optimale Perkolation von wärmeleitfähigen Partikeln dominiert wird. Die Paste bildet damit ein quasi-kontinuierliches Netzwerk aus Feststoffkontakten, wodurch die Wärme weitgehend durch leitfähige Brücken und nicht mehr über den schlecht leitenden Binder übertragen wird.
Diese hohe Performance ist allerdings nur erreichbar, weil die Formulierung am oberen Limit dessen operiert, was rheologisch noch als verarbeitbare Paste durchgeht. Genau dieses Problem zeigte ja seinerzeit die schnell degradierende Paste auf den Asus-Karten (z.B. RTX 4080, siehe vorangegangener Link) auch. Die mikroskopischen Aufnahmen auf der vorherigen Seite bestätigten eine extrem dichte Partikelverteilung mit wenigen Zwischenräumen, die Silikonmatrix tritt optisch kaum noch in Erscheinung. Ein solcher Zustand geht mit einer Reihe typischer Probleme einher, die insbesondere im praktischen Einsatz relevant werden.
Zum einen ist die mechanische Integrität der Paste bei zyklischer Belastung deutlich reduziert, da das verbleibende Polymernetzwerk zu schwach ausgebildet ist, um die Relativbewegung zwischen den Partikeln dauerhaft aufzufangen. Das äußert sich in typischen Mikroabrissen, wie sie bereits nach wenigen Monaten im Betrieb bei vertikal montierten Kühlkörpern beobachtet wurden. Die Paste neigt zur Ausbildung feiner Risse und Schrumpfungszonen, in denen die thermische Ankopplung lokal stark reduziert ist. Zudem kann es durch die geringe Viskosität der Matrixbestandteile zu einem langsamen Ölverlust durch Migration oder Ausbluten kommen, was die Homogenität zusätzlich stört.
Ein weiteres Problem überfüllter Pasten liegt in ihrer ausgeprägten Thixotropie. Während eine gewisse Thixotropie wünschenswert ist, um ein „Kriechen“ unter statischer Last zu verhindern, führen zu hohe Füllgrade zu einer eingeschränkten Fließfähigkeit unter Druck. Das kann beim Auftragen oder unter minimalen Bauteilverwindungen dazu führen, dass die Paste nicht mehr vollständig in mikroskopische Unebenheiten eindringt. In Kombination mit den oft beobachteten, unregelmäßigen Partikelgrößen (4–17 µm) entstehen lokale Lufteinschlüsse oder partikelarme Zonen – mit entsprechend hohem thermischen Widerstand. Gleichzeitig erhöht sich das Risiko einer abrasiven Beanspruchung sensibler Strukturen, etwa bei wiederholter Demontage oder durch Setzprozesse im Betrieb.
Am Ende des langen Labortages lässt sich somit feststellen, dass die exzellenten thermischen Eigenschaften dieser extrem hoch befüllten Wärmeleitpaste das Resultat eines sehr engen Partikel-zu-Matrix-Verhältnisses sind. Dieses Verhältnis ermöglicht im Idealfall eine fast perkolationsartige Leitstruktur, ist jedoch extrem empfindlich gegenüber mechanischer Beanspruchung, thermischer Alterung und Applikationsfehlern. Die durch die Messkurve belegte hohe Performance lässt sich in der Praxis nur dann dauerhaft nutzen, wenn die Materialverarbeitung unter streng kontrollierten Bedingungen erfolgt und insbesondere Drucklast, Oberflächenplanarität und Betriebstemperaturen exakt abgestimmt sind. Ansonsten führen die instabilen Kohäsionskräfte innerhalb der Matrix sowie die geringe Elastizität des Materials schnell zu Degradation, Pump-Out, und schließlich zur Verschlechterung der thermischen Ankopplung wie in den ersten Bildern leider bereits sichbar wurde.
Matrialanalyse
Das nachfolgende Bild zeigt wieder meine LIBS-gestützte Materialanalyse (Laserinduzierte Breakdown-Spektroskopie) der verwendeten Wärmeleitpaste im Querschnitt mit einer optischen Abbildung auf etwa 100 µm Maßstab. Die quantitative Elementverteilung offenbart eine Zusammensetzung, die charakteristisch für metalloxidbasierte High-Performance-Pasten im Überfüllungsbereich ist.
Mit 45,5 Gewichtsprozent stellt Aluminium den dominanten Füllstoff dar. Aufgrund der fehlenden spezifischen Oxidtrennung kann aus der Kombination mit 24,0 % Sauerstoff auf eine weit überwiegende Präsenz von Aluminiumoxid (Al₂O₃) geschlossen werden. Diese Verbindung zählt zu den effektivsten keramischen Wärmeleitfüllstoffen, da sie chemisch inert, elektrisch isolierend und thermisch gut leitfähig (rund 30 W/mK in der kristallinen Alpha-Phase) ist. Die Menge an Aluminium in der Elementanalyse zeigt zugleich, dass ein erheblicher Teil der Partikel in Form von Al₂O₃-Granulaten oder Plättchen vorliegt, nicht als metallisches Aluminium.
Zink ist mit 10,4 % ebenfalls deutlich vertreten. Es ist hier in Form von Zinkoxid (ZnO) enthalten, was durch die gleichzeitige Sauerstoffpräsenz gestützt wird. ZnO wird häufig als ergänzender Füllstoff eingesetzt, um das Partikelspektrum im kleineren Mikrometer- und nanoskaligen Bereich abzurunden und so die Packungsdichte zu optimieren. Es wirkt als intermediärer Füller zwischen größeren Aluminiumoxidpartikeln. Die hohe Gesamtfüllung ergibt sich somit aus einer multimodalen Verteilung der Partikelgrößen, was auch auf den Mikroskopieaufnahmen zuvor deutlich wurde.
Die 9,4 % Kohlenstoff und 8,5 % Silizium sprechen für eine Polysiloxan-basierte Matrix, in der zumindest ein Teil der Kohlenstoffträger auch aus Additiven oder ggf. amorphen Füllstoffmodifikationen stammen kann. Silizium ist höchstwahrscheinlich an die Binderphase gebunden, als Bestandteil eines klassischen Silikonpolymers (PDMS oder modifizierte Varianten), das als Trägerfluid für die Füllstoffe dient. Die nur 2,2 % Wasserstoff sind typisch für polymere Silikonverbindungen und bestätigen erneut, dass die Paste eine vergleichsweise niedrige Matrixdichte aufweist.
Die quantitative Zusammensetzung deckt sich exakt mit den zuvor getroffenen Annahmen zur hochbefüllten, nahezu perkolierenden Struktur der Paste. Das Verhältnis aus 45,5 % Al und 10,4 % Zn in Verbindung mit rund einem Drittel Sauerstoff legt eine Struktur nahe, in der die gesamte thermische Leitfähigkeit fast ausschließlich über Feststoffkontakte realisiert wird. Diese Annahme wird durch die thermische Leitfähigkeit von 6,825 W/mK sowie den linearen Verlauf der ASTM-Kurve gestützt.
Die hohe Befüllung, insbesondere mit harten keramischen Partikeln, erklärt zugleich die mechanischen Auffälligkeiten im Betrieb: Die Paste ist abrasiv gegenüber weichen Oberflächen (z. B. Kupfer), sie neigt zur Versprödung unter Temperaturwechseln und zeigt Trocknungserscheinungen an den (helleren) Druckstellen durch Migration der dünnen Matrixphase. In Verbindung mit den vorherigen Mikroskopiebildern wird klar, dass es sich um eine „funktional optimierte“, aber materialsensibel ausbalancierte Paste handelt, die für industrielle Anwendungen mit kontrollierten Parametern geeignet sein mag, aber im variablen Umfeld einer GPU hingegen nur begrenzt langzeitstabil erscheint. Dass dies alles auf Kosten der strukturellen Elastizität und der Applikationsrobustheit geht, konnte in den vorhergehenden Tests und Bildern bereits umfassend gezeigt werden.
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