Zufallsfund: Wärmeleitpaste mit Schwachstellen
Die Wärmeleitpaste könnte allerdings in der breiten Masse der vekauften Einheiten deutlich problematischer sein oder werden als das Putty, bei dem viele Faktoren zusammenspielen müssen. Die beiden nachfolgenden Bilder zeigen deutlich die Abdruckspuren einer viskosen Wärmeleitpaste nach dreimonatigem Betrieb auf einer GPU mit großflächigem Die und plan geschliffenem Kühlerboden. Die visuelle Auswertung dieser Kontaktbilder liefert nicht nur Rückschlüsse auf die momentane Verteilung und Benetzung, sondern auch auf die strukturelle Integrität des Materials im Hinblick auf Alterung, Fließverhalten und thermomechanische Belastbarkeit.
Beginnt man mit dem Abdruck auf dem Kühlerboden, fällt zuerst die deutlich strukturierte Randwulst auf. Sie deutet auf ein starkes laterales Ausweichen der Paste beim Montagedruck hin. Dies ist bei viskosen Materialien nicht ungewöhnlich, aber der Umfang des Ausfließens weist darauf hin, dass die Paste eine relativ niedrige Scherfestigkeit besitzt und unter statischem Druck kein inneres Rückstellvermögen mehr entfaltet. Besonders kritisch ist jedoch die zentrale Zone: Dort finden sich rissartige Ausbildungen in Form feiner Netzwerke, die sich von der Mitte zu den Rändern hin ausbreiten. Diese Frakturen (vor allem die helleren Flächen) sprechen für einsetzende Austrocknung und mechanisches Schrumpfen, begleitet von beginnender Entnetzung des Trägermediums. Die zunächst homogene Matrix beginnt offenbar, sich im Betrieb zu zersetzen. Die dabei entstehenden Schrumpfspannungen führen zu Materialrissen und zur Ausbildung von Mikroporen, also Lufteinschlüssen, innerhalb der aktiven Wärmesenke. Man erkennt an den Rändern zudem sehr deutlich bereits bereits herausgetretenes Bindemittel (glänzende Flüssigkeit).
Auf dem GPU-Die selbst erkennt man ergänzend dazu ein nahezu identisches, spiegelverkehrtes Muster aus wellenförmig strukturierter Oberfläche mit rissartigem, glasig wirkendem Auszug der Paste. Besonders auffällig ist das zentrale Plateau, bei dem sich die Paste teils vom Substrat gelöst hat. Der abgelöste Lappen im oberen Drittel ist ein klassisches Beispiel für Delamination: Das Material haftet weder zuverlässig auf dem Substrat noch konnte es den Schrumpfzugkräften standhalten. Auch die Verteilungsstruktur entlang der Kanten ist uneinheitlich, was möglicherweise auf eine initiale Blasenbildung oder ungleichmäßige Oberflächenspannung beim Setzen des Kühlers zurückzuführen ist. Die stark kristallin anmutenden Schlieren entlang des Die deuten zudem auf Ölmigration oder Entmischung hin – vermutlich wurde das niedermolekulare Silikonöl, das zur Einstellung der Applizierbarkeit dient, über die Zeit an die Grenzflächen verdrängt und hat sich dort abgelagert.
Thermisch betrachtet ist diese Entwicklung problematisch. Die ursprünglich flächendeckende Kopplung wird unterbrochen, es entstehen lokale thermische Inseln mit stark erhöhtem Interface-Widerstand. Die Auflösung der homogenen Kontaktfläche in ein strukturell unterbrochenes Muster führt mit der Zeit zu erhöhter Kontaktthermik und im Worst Case zur Erhöhung der Kerntemperatur einzelner Subkomponenten im Die (Hotspot-Bereiche). In dieser Konstellation verschiebt sich der thermische Gleichgewichtspunkt immer weiter nach außen, was wiederum die Alterung des Materials beschleunigt. Es handelt sich also um einen selbstverstärkenden Degradationsprozess.
Langfristig führt dieses Verhalten zu einem kontinuierlichen Abfall der thermischen Performance. Während zu Beginn noch ausreichende Performance gewährleistet sein kann, sinkt die Effektivität mit jeder Wärmebelastung. Besonders problematisch wird dies bei vertikaler Einbaulage, wie bereits zuvor diskutiert, da die Schwerkraft zusätzlich Materialwanderung begünstigt und die Randzonen zur Abflusslinie der Paste werden. Der inhomogene Abtrag über die Monate hinweg ist genau dafür ein deutliches Indiz. Die hier verwendete viskose Paste zeigt alle typischen Merkmale einer eingeschränkten Langzeitstabilität. Die Rissbildung, Delamination und Ölabscheidung sprechen für eine unzureichende strukturelle Vernetzung der Trägermatrix, kombiniert mit einem hohen Anteil niedermolekularer Bestandteile. Die thermomechanische Belastung, insbesondere bei hohen Lastwechselzyklen, führt zu einem irreversiblen Verlust der thermischen Ankopplung. Die beobachteten Kontaktbilder sind damit nicht nur optisches Indiz, sondern mikrostruktureller Beweis einer beginnenden Degradation – und ein klarer Hinweis darauf, dass dieses Material ohne Wartung oder Reapplikation auf Dauer keine stabile Lösung darstellt.
Mikroskopie und Konsistenz
Kommen wir nun zur mikroskopischen Analyse dieser viskosen Wärmeleitpaste, die hinsichtlich Partikelverteilung, Abrissverhalten und mechanischer Struktur untersucht wurde. Die chronologische Abfolge erlaubt eine tiefgehende Beurteilung der Materialkonsistenz sowie der potenziellen Schwachstellen in Bezug auf Applikation, Alterung und Wärmeübergang. Das erste Bild zeigt eine Übersicht bei mittlerer Vergrößerung, bei der der makroskopische Randübergang zwischen der keramischen Oberfläche (rechts) und dem aufgetragenen Wärmeleitfilm (links) klar erkennbar ist. Die Kontur des Pastenrandes erscheint unscharf gefranst, was auf eine relativ weiche Matrix mit mäßiger Kohäsion hinweist. Die Paste fließt in die feinsten Vertiefungen der polierten Fläche ein, verliert dabei jedoch zunehmend ihre Formstabilität. Dieses Verhalten ist typisch für Materialien mit hohem Ölanteil oder unzureichender Netzwerkbindung zwischen Füllstoffen und der Trägermatrix. Die Homogenität der Farbverteilung lässt auf eine relativ gleichmäßige Primärverteilung der Füllstoffe schließen, allerdings zeigen sich bereits in den äußeren Bereichen punktuelle Ausdünnungen. Solche partiellen Ablösungen deuten auf ein schwaches Adhäsionsverhalten zur Metalloberfläche und beginnende Grenzflächendestabilisierung hin.
Im zweiten Bild, bei stärkerer Vergrößerung, wird die Mikrostruktur der Partikelmatrix deutlicher. Die Paste zeigt eine dichte, fein dispers verteilte Kornstruktur mit hoher Füllstoffdichte. Die Partikelgrößen erscheinen auf dieser Ebene noch recht einheitlich, mit wenigen Einschlüssen oder Poren. Die typischen Merkmale einer silikonbasierten Füllpaste mit sphärisch bis leicht irregulären Partikeln sind deutlich zu erkennen. Die Oberfläche zeigt sich in diesem Bereich noch weitgehend geschlossen und intakt, ohne nennenswerte Lufteinschlüsse oder Blasenbildung. Diese geschlossene Struktur ist allerdings stark abhängig von der aufgebrachten Drucklast und neigt bei ungleichmäßiger Verpressung zu lokalen Über- oder Unterbelastungen.
Im dritten Bild folgt nun die Analyse der Partikelgrößenverteilung auf submikronischer Ebene. Hier zeigt sich, dass die ursprüngliche Annahme einer feindispersen Struktur nur bedingt zutrifft. Die Partikelgrößen streuen deutlich zwischen etwa 5 und 10 µm. Dies ist für ein viskoses Wärmeleitmaterial akzeptabel. Die Verteilung ist allerdings eher anisotrop, mit teilweise dichter Agglomeration und deutlich sichtbaren Mikroballungen. Solche Strukturen begünstigen bei der Applikation sogenannte mechanische Schattenzonen, in denen die thermische Ankopplung aufgrund unvollständiger Verdrängung schlechter ausfällt. Hinzu kommt, dass die Abrissstruktur bei der Trennung der Kontaktflächen unregelmäßig ausfällt, was auf eine inhomogene Bindung innerhalb der Matrix hinweist.
Das vierte Bild schließlich zeigt einen gezielten Laserabtrag der obersten Matrixschicht, um die darunterliegenden, gröberen Füllstoffpartikel sichtbar zu machen. Diese Methode erlaubt einen differenzierten Blick auf die Verteilung von Sekundärpartikeln, die normalerweise von der viskosen Silikonmatrix überdeckt werden. In dieser freigelegten Zone sind nun deutlich größere Partikel mit Durchmessern zwischen etwa 10 und über 16 µm erkennbar. Die Partikel erscheinen unregelmäßig in Form und Verteilung, was auf unvollständige Dispergierung im Mischprozess schließen lässt. Einige dieser Partikel weisen zudem scharfkantige Konturen auf, was bei Belastung zum Aufbrechen der umgebenden Matrix führen kann. Diese lokalen Spannungsspitzen begünstigen mikroskopische Rissbildung und fördern die mechanische Desintegration bei thermischer Zyklierung. Man wird sicher eine gute Wärmeleitfähigkeit erreichen, nur eben leider nicht lange.
Aus all diesen Beobachtungen lässt sich ableiten, dass die untersuchte viskose Paste zwar eine zunächst homogen wirkende Applikation ermöglicht, bei näherer Betrachtung jedoch deutliche Defizite in der strukturellen Stabilität und Langzeithomogenität aufweist. Die Kombination aus feiner Grundstruktur, vereinzelten Agglomeraten und größeren scharfkantigen Partikeln führt zu einem insgesamt fragilen System, das unter mechanischer Belastung zu Abrissneigung und Grenzflächeninstabilitäten tendiert.
Hinzu kommt, dass durch die mangelnde Retention der Partikel im Polymernetzwerk eine erhöhte Gefahr von Sedimentation oder Entmischung besteht. Besonders bei vertikaler Ausrichtung der Module kann dies zu Materialmigration führen, was langfristig zu ungleichmäßiger thermischer Ankopplung und letztlich zur Degradation der Wärmeübertragung führt. Die hier gezeigte Untersuchung unterstreicht somit die Notwendigkeit einer präzisen Formulierung und Qualitätskontrolle bei viskosen Interface-Materialien.
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