Messungen der thermischen Eigenschaften des Putties
Die Kombination aus den gezeigten Bildern dokumentiert den vollständigen Ablauf einer präzisen thermischen Materialcharakterisierung im Labor, beginnend bei der physikalischen Probenpräparation über die eigentliche Messung im ASTM-konformen Aufbau bis hin zur elementaren Zusammensetzung des untersuchten Thermal Puttys durch LIBS-Spektroskopie. Im Zentrum steht dabei der systematische Vergleich von thermischer Performance (gemessen nach ASTM D5470) und chemischer Zusammensetzung (ermittelt über Laser Induced Breakdown Spectroscopy) für eine umfassende Bewertung des Interface-Materials.
Die ersten drei Bilder zeigen verschiedene Stadien des Messvorgangs in meinem TIMA5-Thermal Interface Material Analyzer, einem präzisionsmechanischen Aufbau zur Bestimmung der thermischen Leitfähigkeit und des thermischen Kontaktwiderstands von Wärmeleitmaterialien. Als Grundlage dient hier die standardisierte Methode nach ASTM D5470-17, die auf dem Prinzip des stationären Wärmestroms basiert.
In Bild 1 wurde das Thermal Putty flächig auf den unteren Kupferblock appliziert. Die Materialhöhe ist in diesem Stadium definiert, aber noch unkomprimiert. Die homogene Verteilung mit leicht gewölbtem Rand ist charakteristisch für viskose Formulierungen mit mäßiger Eigenstandfestigkeit. Die Fläche wurde exakt zentriert aufgebracht, um symmetrische Kompressionsbedingungen zu gewährleisten. Bild 2 zeigt den Zustand während der Messung. Der obere Kupferblock wurde mit definierter Kraft aufgesetzt, wodurch das Putty radial ausweicht. Die zylindrische Aufwölbung entlang der Flanken ist eine Folge des begrenzten Ausbreitungsvolumens unter Druck. Wichtig ist hier die vollständige planare Anlage beider Kontaktflächen, da jede Lufteinschließung oder Kantenabweichung das Ergebnis der thermischen Widerstandsmessung verfälschen würde. In Bild 3 erkennt man nach dem Entnehmen die Druckverformung der Probe mit deutlich sichtbaren Abdrücken der Oberflächenstruktur des Kompressionswerkzeugs. Diese Deformation erlaubt Rückschlüsse auf das mechanische Fließverhalten des Puttys. Das Erscheinungsbild weist auf eine hohe plastische Verformbarkeit hin, bei gleichzeitig grenzwertiger Rückformung. Die lokal aufgerissene Oberfläche im Zentrum signalisiert beginnende Entmischung und strukturelle Inhomogenitäten.
Betrachten wir nun die grafische Auswertung der Messdaten gemäß ASTM D5470. Aufgetragen ist die thermische Widerstandsschicht (in mm²K/W) als Funktion der Probenstärke (in Mikrometern). Die nahezu ideale lineare Korrelation weist auf eine homogene Materialverteilung ohne messbare Interfacestörungen hin. Aus dem Anstieg der Regressionsgeraden lässt sich die effektive thermische Leitfähigkeit mit 7,428 ± 0,275 W/mK ermitteln. Der thermische Interface-Widerstand (also der Widerstand an der Kontaktgrenze zwischen Putty und Kupferblock) beträgt 16,1 ± 5,6 mm²K/W. Der hohe Variationsbereich dieses Wertes deutet jedoch auf inhomogene Kontaktbedingungen hin, etwa durch lokale Lufttaschen, Oberflächenrauheit oder ungleichmäßige Druckverteilung. Die sehr gute Übereinstimmung der Einzelmessungen (Korrelationskoeffizient R² = 0,99896) bestätigt dennoch die grundsätzliche Validität des Messaufbaus.
Performance im Vergleich
Die in der Grafik dargestellte Messreihe vergleicht drei unterschiedliche Thermal Putties unter identischen thermischen Prüfbedingungen. Die aufgetragenen Werte zeigen die Temperaturdifferenz ∆T zwischen T3 und T4, also der Messpunkte direkt an der Grenzfläche zur Kontaktzone (contact surface), in Abhängigkeit von der Bond Line Thickness (BLT) in Mikrometern. Die Versuchsumgebung ist normiert: 20 °C Raumtemperatur, 60 °C Probentemperatur, Wasserkühlung auf der Gegenseite. Je geringer die ∆T bei gegebener BLT, desto besser ist die effektive Wärmeübertragung durch das jeweilige Material, also desto niedriger der thermische Widerstand.
Das Gigabyte „Server Grade“ Putty (rote Kurve) zeigt über den gesamten Messbereich ein konstantes thermisches Verhalten mit leicht überproportional ansteigender ∆T bei zunehmender Schichtdicke. Das spricht für eine mäßige, aber gleichmäßige Wärmeleitfähigkeit kombiniert mit einem relativ hohen Interface-Widerstand, der bereits bei geringer BLT stark ins Gewicht fällt. Die Kurvenform deutet darauf hin, dass die Matrix eine gewisse strukturelle Inhomogenität aufweist und der Wärmefluss durch die Partikelverteilung nicht optimal linearisiert ist. Die Ergebnisse korrespondieren mit den vorangegangenen TIMA5-Messungen und mikroskopischen Analysen, die eine moderate Wärmeleitfähigkeit (7,43 W/mK) und einen hohen Grenzflächenwiderstand (16,1 mm²K/W) ergaben. Auffällig ist die Nähe zur blauen Kurve, was eine ähnliche thermische Charakteristik vermuten lässt.
Die blaue Kurve, zugehörig zum Laird Tputty 607, spiegelt ein in der Industrie etabliertes Putty mittlerer thermischer Klasse wider. Die thermischen Differenzwerte liegen im Wesentlichen auf dem Niveau des Gigabyte-Puttys oder leicht darunter, mit leicht geringerem Temperaturgradient bei steigender BLT. Auch hier ist zu erkennen, dass der Interface-Widerstand nicht vernachlässigbar ist, allerdings wirkt das Material etwas homogener im Anstieg, was für eine bessere Partikelvernetzung oder gleichmäßigere Dispersion spricht. Der Performancegewinn gegenüber Gigabytes Formulierung bleibt jedoch gering, was nahelegt, dass beide Materialien in ihrer Rezeptur auf ähnliche Fertigungs- und Applikationsziele hin optimiert wurden.
Die grüne Kurve für das Hunan Feihongda LTP81 stellt dagegen das leistungsstärkste Material im Testfeld dar. Schon bei sehr niedriger BLT beginnt es mit einer signifikant geringeren ∆T von rund 13 K und bewahrt diesen thermischen Vorteil über den gesamten Dickenbereich hinweg. Der Flankenanstieg der Kurve ist flacher, was auf eine geringere Kombination aus Volumenwiderstand und Interface-Resistance hinweist. Dies kann durch eine höher gefüllte, jedoch mechanisch stabilisierte Matrix mit niedriger Sedimentationstendenz erreicht werden. Die besseren Ergebnisse bei hohen BLTs sprechen für eine gute strukturelle Integrität unter Kompression ohne nennenswerte Materialwanderung. Das Material scheint zudem in der Lage zu sein, auch bei suboptimalem Anpressdruck eine effektive thermische Kopplung zu erhalten.
Das Gigabyte-eigene Putty liegt im unteren thermischen Mittelfeld und zeigt typische Eigenschaften eines materialsparend auf Verspritzung optimierten Dispenser-Puttys. Es wird vom Laird-Material nur minimal übertroffen, jedoch klar vom LTP81 distanziert, das in dieser Gegenüberstellung das klar leistungsfähigste Interface darstellt. Die Unterschiede betragen je nach BLT bis zu 5 Kelvin bei identischer Wärmestromdichte, was in der Praxis erheblich sein kann – insbesondere bei hochintegrierten VRM-Zonen oder bei Speicherbausteinen mit dichter Packung. Aus technischer Sicht bleibt damit festzuhalten, dass Gigabytes als „Server Grade“ beworbenes Material diese Erwartung im thermischen Leistungsvergleich nicht erfüllen kann.
Materialanalyse
Für die umfassende Charakterisierung reicht die thermische Analyse jedoch nicht aus. Aus diesem Grund wurde im Anschluss eine LIBS-Analyse (Laser Induced Breakdown Spectroscopy) durchgeführt, die im Bild unten dokumentiert ist. Diese Methode basiert auf der ablativen Anregung des Materials durch kurze Laserpulse, wodurch ein lokales Plasma entsteht. Die Emission des Plasmas wird spektral aufgelöst und erlaubt die quantitative Bestimmung der Elemente in der Oberfläche und den oberen Mikrometern der Matrix. Gemittelt wurden 25 Messpunkte über eine repräsentative Fläche, um lokale Inhomogenitäten auszugleichen.
Die Spektralanalyse zeigt einen hohen Gehalt an Sauerstoff (38,5 %), was auf oxidische Füllstoffe wie Zinkoxid, Siliziumoxid oder Aluminiumoxid hindeutet. Die stärksten detektierten Elemente sind Zink (26 %) und Silizium (15,6 %), letzteres typisch für Polydimethylsiloxan als Trägermatrix. Weitere Bestandteile sind Aluminium (8,4 %), Kohlenstoff (8,3 %) und Wasserstoff (3,2 %). Der vergleichsweise niedrige Kohlenstoffanteil bestätigt, dass keine kohlenstoffbasierten Additive wie Graphit oder CNTs verwendet wurden. Auch Silber oder Bor, wie bei Hochleistungs-Puttys üblich, wurden nicht nachgewiesen. Das Ergebnis spricht damit für eine klassische, silikonbasierte Zusammensetzung mit Zinkoxid als Hauptfüllstoff.
Die Kombination beider Messreihen – thermisch und chemisch – erlaubt eine fundierte Einschätzung des Materials. Thermisch bietet das Putty eine akzeptable Wärmeleitfähigkeit, liegt jedoch hinsichtlich des Interface-Widerstands im oberen Bereich vergleichbarer Produkte. Die chemische Zusammensetzung weist auf eine eher konservative Formulierung ohne aggressive Leistungsoptimierung hin.
Mechanisch zeigen sich unter Druckverformung typische Schwächen viskos formulierter Materialien, wie seitliches Ausfließen und fehlende Rückformung. In Summe liefert die Analyse ein vollständiges Bild eines Dispenser-Puttys mittlerer Güte, das für automatisierte Applikation entwickelt wurde, thermisch jedoch keine Spitzenwerte erreicht und strukturell deutliche Kompromisse erkennen lässt.
Aber soweit waren wir ja schon.
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