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Chip ist nicht gleich Chip – Erste Informationen zum möglichen Binning und den Streuungen bei der GeForce RTX 3080 und RTX 3090 | Exklusiv

Wer erinnerst sich nicht an die schönen Zeiten, als man einen Intel Quadcore Q6600 mit G0-Stepping, vorzugweise auf einem DFI Lanparty mit X38-Chipsatz, in Richtung der 4 GHz prügelte? Damals war Intels Binning recht einfach. Die guten Chips aus der Wafermitte, wenn es denn ein guter Wafer war, bekamen die höchste VID und liefen doch am kühlsten. Das waren dann auch die begehrten Xeons. Die Consumer-Variante mit einer VID von ebenfalls 1,315 Volt war ebenfalls kühl, aber zäh und schwer zu übertakten, während die vermeintlich schlechteren Exemplare mit einer VID von 1,275 V und weniger bei der Spannung noch so viele Reserven hatten, dass da eigentlich immer was ging. Gut, sie waren dann natürlich auch deutlich heißer, aber im Jahr 13 vor Greta hat das noch keinen wirklich interessiert.

Das Dilemma mit den verschiedenen Platinen

Bei den aktuellen Grafikkarten ist das deutlich schwieriger, weil viel komplexer. Die Lieferung an so einen Boardpartner (AIC) erfolgt stets im Bundle aus GPU (Package) und Speicher. So ein Package einer aktuellen NVIDIA-GPU ist ja nichts anderes als ein großes BGA, also eine Art Platine mit der bereits aufgelöteten und verklebten GPU (Underfill). Genau an dieser Stelle beginnt nun das Dilemma der Hersteller wenn es darum geht, verschiedene Produktlinien zu sehr unterschiedlichen Preisen zu realisieren.

Da sind einerseits die „Einsteiger“-Karten einer Chipreihe (z.B. der GeForce RTX 3080 Reihe) mit einfacheren Platinen und kostengünstigem Kühler und andererseits die vermeintlichen Super-OC Modelle, mit den Gamer-typischen verstrixten Dragon-Extreme-Omega-Lightning Namengebungen. Doch wie stellt man als AIC eigentlich sicher, dass die teuren, weil aufwändiger hergestellten Karten auch wirklich besser laufen? Ein unverlötetes BGA kann man ja vor der Produktion nicht testen, um es dann zielgerichtet auf die günstigen oder teureren Platinen zu verteilen. Oder doch?

Gut, das kann nicht jeder und selbst wenn, ist immer ein gewisses Restrisiko der Streuung dabei. Um das zu vermeiden, hatte NVIDIA bei Turing ja den Spaß mit den A-Chips eingeführt, also einer Art kommuniziertem Pre-Binning, das zwar am Ende meist gar keins war, aber für so viel Ärger sorgte, dass man das Ganze, irgendwann, recht elegant und ohne Getöse wieder weggesupert hat. Da es das so nicht mehr gibt, bleiben einfach nur zwei Möglichkeiten für die AIC, hier eine Art Selektion vorzunehmen.

Budget vs. Top-Level: Non-A-Chip and A-Chip of a RTX 2070

„Binning“ in der Praxis

Die einfachste Methode ist das 50:50 Verfahren, man nimmt also alles, was so ankommt und produziert erst einmal die verschiedenen Platinen ohne jegliche Vorabselektion. Anhand der fertigen und lauffähigen Karten (meist auch schon mit montiertem Kühler) wird dann beim sowieso nötigen Burn-In- und Funktions-Test erfasst, was der Chip wirklich hergibt. Dann wird bei den jeweiligen Preisklassen erst festgelegt, welche Karte welches BIOS und welchen Aufkleber erhält und in welcher Schachtel sie landet.

So kann am Ende ein Chip auf einer Butter-und-Brot-Karte eines Herstellers mit etwas Glück genauso gut (oder sogar besser) sein, als der Chip auf der nur zweithöchsten Ausbaustufe der OC-Karten desselben Herstellers. Das kann man durchaus im Hinterkopf behalten, wenn man einen Wasserkühlungsumbau plant. Die Wahrscheinlichkeit, bei den günstigeren Karten ebenfalls eine Perle von Chip zu finden, ist gar nicht mal so gering. Trotzdem ist wie immer natürlich auch eine gehörige Portion GPU-Lotto mit dabei. Aber das Leben wäre ja sonst auch langweilig.

Andere Hersteller sind da schon smarter, allerdings steigen hier die Kosten und der Aufwand für ein Pre-Binning. Ich darf bestimmte Dinge leider nicht im Detail nennen, aber es gibt z.B. einen Hersteller, der bei jedem eingegangenen Chip erst einmal elektrische Parameter wie z.B. Durchflusswiderstände und Ähnliches zwischen bestimmten Pins testet, dies in einer Datenbank erfasst und später mit den Testergebnissen fertiger Karten abgleicht. Dann kann man mit statistischer Hilfe bereits bestimmte „Verhaltensmuster“ erkennen und dementsprechend selektieren, ohne den Chip verbaut zu haben.

Diese Hersteller beginnen deshalb erst einmal mit einer Produktkategorie, meist bei der teuersten. Deswegen gibt es ja auch z.B. bei Gigabyte die Aorus und Aorus Extreme und deutlich darunter angesiedelt später die Windforce oder einfachen OC-Karten. Hat man z.B. genügend Karten der höherwertigen Linie produziert, dann kann man vorab schon gut entscheiden, welcher Chip von Haus aus nur auf der Einsteiger-Linie landet. Oder man greift auf die Erfahrung der letzten Generationen zurück und beginnt gleich mit der Selektion, die man dann wieder mit neuen Daten verfeinert.

Binned PCB of a Gigabyte RTX 2080 Aorus Extreme

Und welche Qualitäten besitzt nun der GA102 für die RTX 3080 und RTX 3090?

Jetzt wird es natürlich interessant, denn je länger eine Chipproduktion läuft, umso besser werden die Chipqualitäten bzw. das prozentuale Verhältnis von sehr gut, gut und ok. Bei den neuen Ampere Karten liegen mir verschiedene statistische Auswertungen vor, die man natürlich auch mitteln kann. Da wir uns noch in einem sehr frühen Stadium befinden, sind die Anteile natürlich nur erfahrungsgemäß schlechter als sie es in wenigen Monaten sein könnten. Intern teilt man das Binning meist in 3 Stufen auf. Da gibt es dann die Sorte ok als „Bin 0“, die Sorte gut als „Bin 1“ und die richtig guten dann als „Bin 2“.

So sprechen die Quellen nahezu übereinstimmend von im Schnitt bis zu 30% der Chips mit Bin 0, ca. 60% mit Bin 1 und nur 10% mit Bin 2 für die RTX 3080, was für so eine kurzen Produktionszeitraum trotzdem schon recht gut ist und eigentlich auch für Samsung spricht. Im Übrigen sind die meisten der fürs Presse-Sampling gedachten Custom-Modelle natürlich die Top-Dogs der jeweiligen Hersteller und damit Bin 2. Das sollte man im Hinterkopf haben, denn auch NVIDIAs Founders Edition ist keine „billige“ Referenzkarte mehr, sondern höchst aufwändig gefertigt.

Übereinstimmend wird auch berichtet, dass wirklich jede GPU anders reagiert und auch die Streuung zwischen den Lieferungen recht groß ausfällt. Was Bin 2 jedoch ausmacht, ist eine deutlich niedrigere Temperatur unter Volllast bei gleichzeitig höherem Boost-Takt bei ähnlicher Spannung. Damit gelingt auch das Übertakten deutlich besser und die Karte ist bereits ab Werk und auch ohne OC schon einen merklichen Tick schneller.

Bei der 3090 liegt der Fall noch etwas komplizierter, denn die Boardpartner haben bisher nur wenige Chips aus der Pilot-Produktion erhalten, so dass die Chips für Bin 2 noch deutlich weniger sind. Das sollte sich aber ebenfalls bald ändern, wenn man in die Massenproduktion geht. Aber auch hier gilt in Bezug auf die Samples wieder das oben Geschriebene.

Wobei man auch deutlich klar stellen muss, dass hier keine speziellen Golden Samples für die Presse verschickt werden, sondern die eh schon vorsortierten Spitzenmodelle. Bei Auto-Tests erhält der Tester ja auch meist die höchste Ausstattunglinie. Bei Grafikkarten ist dies am Ende ja auch nicht anders. Die Chancen eines Kunden, später mit etwas Glück die gleiche Qualität zu erhalten, ist recht hoch und damit geht das Kalkül der Hersteller, die sehr ungern die günstigeren Butterbrote besampelt, wohl auch auf.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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