Ich habe mir die Arctic MX-6 in der Revision 4 einmal genauer angeschaut, weil mir beim Auspacken sofort der rote Hinweis ins Auge sprang, der ein wenig an Supermarktware erinnert. Neue Rezeptur steht da drauf, und genau das lässt mich erst einmal stutzen. Wenn bei Lebensmitteln eine Packung plötzlich mit solchen Hinweisen versehen wird, folgt oft kein besserer Geschmack, sondern schlicht eine Kostenoptimierung. Und genau das möchte ich bei einer Wärmeleitpaste natürlich nicht ungeprüft stehen lassen. Arctic hat mit der ursprünglichen MX-6 im Jahr 2023 eine recht solide Paste vorgestellt, die ich bereits getestet hatte. Dabei lag der Fokus weniger auf Rekorden als auf einer unauffällig guten Performance ohne elektrische Leitfähigkeit und mit einfacher Handhabung. Warum also eine neue Rezeptur? Steckt da wirklich ein Fortschritt drin oder wurde still und heimlich an der Zusammensetzung geschraubt, um Rohstoffe einzusparen oder den Produktionsprozess zu vereinfachen?
Gerade bei Wärmeleitpasten habe ich in den letzten Jahren oft genug erlebt, dass sich Rezepturen ändern, ohne dass die Hersteller dies offen kommunizieren. Und fast immer ging das mit einer Verschlechterung der Eigenschaften einher. Entweder wurde der Auftrag zäher, die Entnetzung auf dem Die schwächer oder die thermische Performance fiel schlicht unter die des ursprünglichen Produkts. Daher sehe ich solche Hinweise nicht als Einladung zum Blindvertrauen, sondern eher als Grund zur erneuten Untersuchung.
Auf der anderen Seite kann ich nachvollziehen, dass Arctic die bekannte Bezeichnung MX-6 beibehalten möchte. Der Wiedererkennungswert ist hoch, und es wäre aus Marketingsicht sicherlich riskanter gewesen, eine komplett neue Bezeichnung zu etablieren. Trotzdem führt genau dieser Schritt dazu, dass ich die „New Formula“ nicht als Fortsetzung, sondern als eigenständiges Produkt betrachte, das sich seine Bewertung erst verdienen muss. Ich bin also nicht nur mit Wärmeleitpaste und Spatel angetreten, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Neugier. Denn ob hier wirklich eine Verbesserung im Sinne des Käufers vorliegt oder ob man sich nur auf den guten Ruf eines bekannten Namens verlässt, wird sich erst zeigen, wenn die Messergebnisse auf dem Tisch liegen. Und genau darum geht es heute.
Wichtiger Hinweis: Im Atikel stand ursprünglich Revision 3 aus 2024, aber nach genauem Studium der Verpackung ergab sich, dass es doch bereits die Paste aus 2025 in Revision 4 war. Ich habe sowohl die Datenbank als auch den Artikel entsprechend korrigiert. Die Messergebnisse sind von der Revision 4. Die Revision 3 besitzt laut Arctic aber die gleiche Formulierung, ist jedoch etwas viskoser und damit noch schwerer zu verarbeiten. Damit war dann die Verwirrung komplett, denn nicht mal Arctic konnte den Weg der Paste sicher nachvollziehen. Die Revision steht in Kleinstbuchstaben auf der Stirnseite der Packung links neben dem Strich-Code. Das Muster wurde zur Sicherheit nachgekauft.
Was man bekommt
Arctic hat mit der MX-6 Revision 4 eine überarbeitete Version der ursprünglich 2023 erschienenen MX-6 Wärmeleitpaste in der Revision 2 auf den Markt gebracht. Auffällig ist zunächst der Verzicht auf eine konkrete Angabe der Wärmeleitfähigkeit in W/mK. Arctic begründet diesen Schritt mit der Aussage, dass solche Werte in der Praxis oft irreführend seien und keinen zuverlässigen Rückschluss auf die tatsächliche Performance unter realen Einsatzbedingungen zuließen. Stattdessen verweist man auf eine um etwa zwanzig Prozent verbesserte Wärmeableitung im Vergleich zur MX-4, basierend auf internen Messungen mit Referenzkühlkörpern und genormten Prüfaufbauten. Dieser Fokus auf praxisnahe Resultate anstelle laboroptimierter Zahlen ist nachvollziehbar, sorgt aber gleichzeitig auch dafür, dass direkte Vergleiche mit anderen Produkten erschwert werden.
Die Verpackung der neuen MX-6 Rev. 4 fällt deutlich auf. Die Spritze mit vier Gramm Inhalt trägt das bekannte türkisfarbene Etikett, ergänzt durch ein rotes Feld mit der Aufschrift New Formula. Dieses wiederholt sich auch auf der Umverpackung. Die Vorderseite des Kartons zeigt neben dem Produktbild auch den Hinweis auf den beigelegten MX Cleaner. Dabei handelt es sich um insgesamt sechs einzeln verpackte Reinigungstücher auf Basis eines ätherischen Öls, vermutlich D-Limonen, das laut Rückseite potenziell allergische Reaktionen hervorrufen kann. Die Tücher sind biologisch abbaubar und dienen der Entfernung alter Wärmeleitpasten vor dem Neuauftrag. Die Präsentation ist durchgängig sauber gestaltet und hebt sich vom üblichen OEM-Einerlei positiv ab.
Im direkten Vergleich zu anderen Markenpastensets wirkt das Paket durchdacht, wenn auch nicht zwingend notwendig. Wer häufiger arbeitet, hat meist ohnehin Isopropanol und fusselfreie Tücher parat. Für Einsteiger oder Gelegenheitsschrauber stellt die Kombination aus Paste und Reinigungsset jedoch einen praktischen Mehrwert dar, insbesondere da auf aggressive Lösungsmittel verzichtet wurde.
Was den Preis betrifft, so liegt die Vier-Gramm-Version der MX-6 Rev. 4 im Onlinehandel derzeit im unteren Bereich. Der Straßenpreis pendelt sich in Europa bei knapp unter 7 Euro (Arctic Shop) bis 18 Euro ein, wobei viele Shops (wie z.B. Mindfactory) höhere Versandkosten erheben, als sie für die Paste verlangen und die Paste dann plötzlich 13 bis 18 Euro kostet. Irgendwie schon frech. Damit liegt das Produkt dann in der Summe im oberen Mittelfeld vergleichbarer Wärmeleitpasten. In Anbetracht der mitgelieferten Reinigungstücher relativiert sich der Preis zumindest anteilig. Ob sich der Aufpreis jedoch durch eine tatsächlich verbesserte thermische Leistung rechtfertigen lässt, muss im Testverlauf geklärt werden.
Die New Formula wirkt in erster Linie wie eine produktpolitisch motivierte Überarbeitung, die sich optisch klar von der bisherigen Version absetzt, funktional jedoch noch keine offenen Leistungsversprechen macht. Dass Arctic hier bewusst auf alte Benchmarkmethoden verzichtet, kann als Schritt zu mehr Transparenz gewertet werden. Gleichzeitig bleibt offen, ob es sich nicht doch um eine reine Rezepturanpassung unter Beibehaltung des Markennamens handelt. Im Hardwarebereich ist es nicht unüblich, dass sich Produkte über die Zeit ändern, ohne dass dies kommuniziert wird. Ich habe bereits mehrfach erlebt, dass Pasten im Detail verändert wurden, zum Nachteil der Käufer. Umso gespannter bin ich, wie sich die MX-6 Rev. 4 unter kontrollierten Bedingungen schlägt.
Genau aus diesem Grund habe ich mir diese Paste heute vorgenommen, weil sie stellvertretend für ein ganzes Segment von neuen, deutlich verbesserten Produkten steht, die im Schatten der etablierten Leistungselite oft übersehen werden, aber einen praktischen Zweck erfüllen. Und das ist manchmal mehr, als sich manch teurer Vertreter der vermeintlichen Oberklasse leisten kann.
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