Kühlung Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

AMD vs. Intel: Kampf der Wärmeleitpaste auf den Boxed-Kühlern und ein technischer k.O. für den Oldie in der ersten Runde

Eigentlich wollte ich nur herausfinden, wie sich die voraufgetragenen Wärmeleitpasten einer älteren und einer aktuellen Boxed-Kühler-Revision von AMD (Wraith Stealth) sowie Intel (Original vom Core 5 Ultra 225F) in der Praxis schlagen. Kein großes Projekt,sondern eher ein kleiner technischer Abgleich zweier serienmäßiger Lösungen, die man sonst kaum beachtet und den die Community angefragt hatte. Doch was ich dabei festgestellt habe, ist nicht nur überraschend, sondern in einem der drei Fälle regelrecht erschütternd. Die Paste auf dem Intel-Kühler liefert nämlich eine durchaus solide Leistung. Sie fällt weder besonders positiv noch negativ auf, lässt sich gut verarbeiten und wieder ablösen, was vor allem bei Servicearbeiten oder einem späteren Kühlerwechsel ein entscheidender Vorteil ist. Man merkt, dass Intel hier eine gewisse Balance zwischen thermischer Effizienz und praktischer Handhabbarkeit angestrebt hat und das ist gelungen.

Ganz anders die Situation bei AMD. Die dort werkseitig aufgetragene Paste auf der zuerst getesteten Revision B war nicht nur eine mechanische Zumutung, sondern auch thermisch eine Katastrophe. Die Temperaturen lagen im Vergleich deutlich höher und erreichen unter Last Bereiche, die man normalerweise nur mit zu schwach dimensionierten Kühlern oder schlichtweg schlechter Wärmeübertragung in Verbindung bringt. Die Paste wirkte grobkörnig, schwer verteilbar und entwickelte gleichzeitig eine geradezu absurde Klebewirkung, die jegliche Demontage zur Zitterpartie macht. Um sicherzugehen, ob es sich tatsächlich um eine besonders schlechte Revision handelt oder ob hier schlicht an der falschen Stelle gespart wurde, habe ich mir zusätzlich ein Modell der aktuellsten Revision K besorgt, das nach wie vor bei aktuellen Ryzen-Prozessoren mit integrierter Grafik als Boxed-Kühler zum Einsatz kommt.

Wer jemals versucht hat, nach einem Jahr Nutzung einen Boxed-Kühler für den Sockel AM4 von AMD wieder zu entfernen, ohne die CPU gleich mit in den Eimer zu schicken, der weiß, was ich meine. Die CPU klebt fest wie die Steuerlast an einem deutschen Mittelständler. Und genau da wurde aus dem Spaß langsam Ernst. Was der Hersteller da jeweils als werksseitige Lösung anbot, ist nicht nur unterschiedlich in der Zusammensetzung, sondern vor allem in der mechanischen Konsequenz. Während Intel sich noch halbwegs gnädig zeigt, agierte AMD offenbar damals nach dem Motto: Wenn wir schon nicht die heißeste CPU bauen, dann wenigstens die mit der stärksten Klebeverbindung zum Kühler. Deshalb auch der zweite Test mit der Revision K. Diese Version zeigte sich in der Praxis deutlich ausgewogener, sowohl bei der Temperaturführung als auch hinsichtlich der Geräuschentwicklung. Damit lässt sich bestätigen, dass AMD bei der Revision K offenbar nicht nur optisch nachgearbeitet hat, sondern auch funktionale Verbesserungen bei der Paste eingeflossen sind. Aber ob das gegen Intel reicht? Wir dürfen gespannt sein!

Was man bekommt

Beim AMD-Kühler auf der linken Seite handelt es sich um einen typischen Boxed-Kühler mit Aluminiumrippenstruktur und ohne Kupferkern (hier im Bild die Revision B), ausgestattet mit einer bereits werkseitig aufgetragenen Wärmeleitpaste. Aufgetragen wurde eine konventionelle Paste mit starker Ausrichtung auf silikonölhaltige Trägerkomponenten. Auffällig ist hier die sehr gleichmäßige, vollflächige Schicht in exakt kreisrunder Form. Diese stammt aus einem industriellen Druckverfahren (Siebdruck), bei dem die Paste in einem definierten Volumen mit hoher Präzision aufgebracht wird. Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick sehr sauber aus und deckt die Kontaktfläche vollständig ab. Die Paste der Revision K ist hingegen rechteckig aufgebracht worden und genau das trägt auch zur Unterscheidung bei, wenn man gerade keine Artikelnummer zur hand hat.

Revision B Revision K
   

Das Problem liegt jedoch weniger im Auftrag als in der Materialwahl. Die Paste der Revision B besteht zu großen Teilen aus silikonbasierten Ölen und Füllstoffen mit geringer thermischer Leitfähigkeit. Durch die Dominanz des Silikonöls weist das Material eine relativ hohe Fließfreudigkeit bei Erwärmung auf, was im Betrieb zu einer allmählichen Migration der Flüssigkomponenten an den Rand oder sogar über die Kante hinaus führen kann. In Kombination mit der Tendenz zur Austrocknung an der Kontaktfläche und der geringen Adhäsion auf oxidierten Oberflächen neigt diese Paste zu ungleichmäßiger Kontaktverteilung bei wiederholter thermischer Belastung. In der Praxis bedeutet das: Die Paste verliert mit der Zeit sowohl ihre thermische Effizienz (die ja eh schon kaum vorhanden war) als auch ihre strukturelle Integrität. Dazu kommt eine gewisse Klebrigkeit, die beim Entfernen des Kühlers in Kombination mit dem durch Hitze verfestigten Restfilm zu einer ungewollten Verbindung mit der CPU führen kann, in der Praxis bekannt als das „Mitreißen“ des Prozessors beim Demontieren des Kühlers. Die Paste der Revision K ist etwas viskoser und lässt etwas mehr Raum für Optimismus. 

AMD vs. Intel

Im Vergleich dazu zeigt der Intel-Kühler rechts eine völlig andere Herangehensweise. Die Paste ist in Form dreier breiter Streifen direkt auf die zentrale Kupferkontaktfläche appliziert. Auch hierbei handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, allerdings wird hier offensichtlich eine deutlich besser befüllte und damit weniger ölbasierte Paste mit höherer struktureller Stabilität verwendet. Die Streifenform erlaubt beim Aufpressen eine gute Verteilung, ohne dass übermäßige Mengen an die Seite gedrückt oder ungleichmäßig verteilt werden. Die thermische Leistung dieser Paste ist gemessen an der Klasse überraschend gut, vor allem aber bleibt sie auch nach längerer Betriebsdauer noch relativ gut trennbar und zeigt keine auffällige Migration oder Ölabscheidung.

Wichtig ist, dass eine dauerhaft offene oder nicht luftdicht verschlossene Lagerung eine entsprechend träge, feuchtigkeitsresistente und oxidationstolerante Paste erfordert, deren Formulierung insbesondere auf eine hohe Thixotropie, geringe Flüchtigkeit und ausgewogene Partikelbindung ausgelegt ist. Im Idealfall gelingt es dadurch, die Anwendung auch bei suboptimaler Lagerung über viele Wochen bis Monate hinweg aufrechtzuerhalten – was insbesondere im industriellen Umfeld oder bei Bastleranwendungen mit sporadischem Zugriff ein entscheidender Vorteil ist.

Einschränkungen bei der Materialmenge

Die Entscheidung, die Messreihe erst ab einer Bond Line Thickness (BLT) von 300 µm abwärts zu beginnen, war letztlich eine rein praktische, aber gleichzeitig auch methodisch notwendige Konsequenz aus der begrenzten Materialmenge, die bei beiden Kühlern ab Werk appliziert war. Wer schon einmal versucht hat, mit einer voraufgetragenen Serienpaste eine vollständige Messkurve über verschiedene Schichtdicken hinweg aufzubauen, wird schnell an eine simple physikalische Grenze stoßen: Es ist schlicht nicht genug Paste vorhanden, um bei höheren Spaltmaßen eine reproduzierbare, flächendeckende Schicht zu realisieren, die den Anforderungen einer normgerechten Wärmeleitfähigkeitsmessung entspricht.

Flüssig und wenig haltbar auf der Revision B

Gerade bei industriell vorapplizierten Pasten, wie im Falle der AMD- und Intel-Kühler, ist die aufgetragene Menge exakt auf den zu erwartenden Anpressdruck und die Geometrie des Kühlers abgestimmt. Diese Dosierung reicht bei normalem Anpressen für eine effektive Wärmeübertragung bei niedriger BLT, aber nicht für die gezielte Überhöhung der Schichtdicke, wie sie etwa bei 350 oder 400 µm notwendig wäre, um eine entsprechende Messgeometrie im Labor abzubilden. Eine nachträgliche Wiederverteilung oder Entnahme der Originalpaste wäre nicht nur unpraktisch, sondern methodisch auch nicht mehr valide, da sich durch die mechanische Beanspruchung sowohl die innere Struktur als auch die Verteilung der Füllstoffe verändert.

Etwas viskoser bei der Revision K

Die Wahl, erst ab 300 µm zu beginnen, stellt somit den bestmöglichen Kompromiss zwischen realitätsnaher Ausgangslage und labortechnischer Umsetzbarkeit dar. Ab dieser Schichtdicke ließ sich ausreichend Material entnehmen und applizieren, um sowohl flächig als auch homogen zu messen, ohne die physikalischen Eigenschaften der Paste durch manuelles Verarbeiten oder Aufdoppeln mit Paste eines weiteren Kühlers künstlich zu verändern. Zudem liegt dieser Bereich auch näher an den realen Bedingungen im Sockelbetrieb, wo sich typische BLT-Werte unter Standardanpressung ohnehin meist zwischen 50 und 200 µm einpendeln. Damit sind die Messergebnisse trotz des begrenzten Ausgangsmaterials nicht nur vergleichbar, sondern vor allem praxisrelevant.

Intel

Kurz gesagt: Nicht der Wille zur Vollständigkeit war das Problem, sondern die Realität der aufgetragenen Mengen. Und es wäre methodisch unredlich gewesen, diesen Umstand durch das Beimengen externer Pasten oder durch künstliches Aufdoppeln zu kaschieren. Wir wollen ja ehrlich bleiben und real testen.

  Materialanalyse und Mikroskopie Grundlagenwissen
Hier erfahrt Ihr, warum effektive Wärmeleitfähigkeit und Bulk-Wärmeleitfähigkeit in der Praxis komplett unterschiedlich sein können, welche Rolle der Kontaktwiderstand zwischen den Flächen und der Paste spielt und wie man Wärmeleitpaste exakt messen kann. Dazu gibt es die genaue Beschreibung des Equipments, der Methodik und der Fehlertoleranzen. Ihr erfahrt hier, wie die Laser-induzierte Plasmaspektroskopie funktioniert und mit welchen Vorteilen und auch Einschränken man bei den Messungen leben muss. Dazu gibt es eine hochauflösende Digitalmikroskopie und die Analyse der Partikelgrößen. Diese Informationen dienen auch der Abschätzung der Langzeitkonstanz einer Paste. Wer schon immer einmal wissen wollte, was in so einer Paste drin ist bzw. was nicht und wie man diese Pasten herstellt, der wird hier noch einmal fündig. Der Grundlagenartikel dient zum besseren Verständnis dessen, was oft für viel zu viel Geld und mit manchmal auch abenteuerlichen Versprechen wirklich verkauft wird.

 

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konkretor

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394 Kommentare 417 Likes

Im Zwischenfazit , ist wohl die k Revision gemeint.

Paste der Revision B ist da bereits deutlich besser,

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RedF

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Interessant, wer wo spart.

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konkretor

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394 Kommentare 417 Likes

Danke für den sehr ausführlichen Test.

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S
Seriousjonny007

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Ich bin mir da nicht sicher ob hier Intel oder AMD überhaupt eine Ahnung haben, was auf die Boxed Kühler für Paste aufgetragen wird. Da wird es eine Vorgabe für den OEM geben, der wird diese wieder über ein Datenblatt beim Sublieferanten checken, bestellen und auftragen. Ich glaube nicht das sich AMD oder Intel hier die mühe machen die Paste zu analysieren.

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Cerebral_Amoebe

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143 Kommentare 68 Likes

@Igor Wallossek

Hier ist ein kleiner Vertipper drin:
Nach den Bildern müsste das Revision K sein.

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eastcoast_pete

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2,609 Kommentare 1,730 Likes

Wer hätte es gedacht - Intels Boxed Cooler mit nicht ganz so schlechter Paste und Kupferboden?! Ich kann mich noch gut erinnern, als die Wraith Kühler von AMD noch (bei niedriger TdP) als einigermaßen vertretbar und Intels Boxed Coolers als "am Besten gleich ungeöffnet in die 🚮Tonne" galten.

Was mir allerdings auch aufgefallen ist: es gibt kaum oder wenige Tests von Luftkühlern (unter € 50!) für Arrow Lakes, zB für den Ultra 7 265K. Zur Zeit ja für unter € 270 erhältlich, und zu dem Preis durchaus kompetitiv, v.a. für Anwendungen . Der Ultra 9 ist dagegen immer noch viel zu teuer und im Preis/Leistungsverhältnis gegen die großen Ryzens chancenlos.

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Igor Wallossek

1

12,398 Kommentare 24,630 Likes

Danke, gefixt. Vertippser :)

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p
passivecool

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101 Kommentare 62 Likes

Lehrreich, danke!
Ich finde spannend, mit wie wenig Paste man auskommt (geordneter Auftrag vorausgesetzt).

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Igor Wallossek

1

12,398 Kommentare 24,630 Likes

Meine Rede seit Ewigkeiten. Auch wenn gewisse Edel-YouTuber meinen, viel hilft viel. Das ist echt Quark :D

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carrera

Veteran

253 Kommentare 163 Likes

guter Test - tolle Hintergrundinformationen - vielen Dank @Igor Wallossek

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Alkbert

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Ich kann mich noch gut an den i7 4790 vs. 4790K erinnern, Ersterer mit WLP zwischen Die und Heatspreader und Letzterer mit Indium Lot verbunden als thermische Brücke. Intel wird da schon die Erfahrungen haben, was langfristig halten (muss).

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s
stch

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53 Kommentare 16 Likes

Klasse, dass du dich neben high end auch um solche vermeintlich profan Dinge kümmerst. Schließlich dürfte es sehr, sehr viele Rechner da draußen geben, bei welcher genau diese Standardlösungen Anwendung finden.

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Igor Wallossek

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12,398 Kommentare 24,630 Likes

Der Tipp kam aus der Community, das mache ich doch gern :)

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h
harry84

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Habe erst vor kurzem einen AMD Boxed der ersten Ryzen Generation abmontieren wollen. Habe die CPU gemeinsam mit dem Kühler aus dem Sockel ziehen müssen. Liegt jetzt untrennbar bei mir im Regal. Das Mainboard funktioniert zum Glück noch einwandfrei.

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Igor Wallossek

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12,398 Kommentare 24,630 Likes

Genau das... Tipp. Nimm Isopropanol zum Einweichen und dann Zahnseite zum "absägen" :)

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D
Don Omerta

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74 Kommentare 64 Likes

Vor einigen Jahren habe ich meinen HTPC aufgerüstet, der Ryzen 5 1600 sollte raus und ein 3600 rein. Damals hatte ich auch den AMD-Kühler verwendet und der klebte wie die Hölle an der CPU. Vorher hatte ich die CPU durch Prime95 aufgeheizt aber keine Chance. Zuerst immer versucht nach rechts und links zu drehen und leicht anzuheben und zack, hatte ich die CPU mit Kühler in der Hand. Mein Gesicht war heller als die Alpina weiße Wand hinter mir. Ich hatte aber Glück, an der CPU war kein Pin verbogen und der Sockel am MB hatte auch keinen defekt.
Danach habe ich nie wieder einen Boxed-Kühler benutzt.
Die CPU habe ich damals auch mit Isopropanol und einer kleinen feinen Cutter-Klinge vom Boxed-Kühler lösen können.

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e
eastcoast_pete

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2,609 Kommentare 1,730 Likes

@Igor Wallossek : Wär doch ein gutes Video für Deinen YT Kanal "So wird's gemacht - Wie man den Boxed Kühler sicher von der CPU separiert, wenn der zu anhänglich ist" ! Wie auch einige Kollegen hier im Forum schon geschrieben haben, ist dieses Problem ziemlich weit verbreitet.

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DrWandel

Mitglied

97 Kommentare 79 Likes

Einer der Gründe, warum ich Tests hier so gerne lese, sind Ausdrücke wie dieser:
Kalte Technik blumig erklärt! :)

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RX480

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2,138 Kommentare 1,029 Likes

Was bekommt man dann bei einem R5 5600 boxed ?
(ist das schon die neue Rev.K)

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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