Nach meinen ganzen Messungen an den neuen Blackwell- und AMD-Grafikkarten habe ich mich entschlossen, noch einmal einen ausführlichen Artikel über Masseschleifen in Computern verfassen, insbesondere im Zusammenhang mit den aktuellen Grafikkarten und deren Stromrückführung. Der Artikel wird die Rolle des PCIe-Mainboard-Slots und seiner Masse-Pins detailliert untersuchen und erklären, warum diese oft unterschätzt werden. Zudem werde ich auf die Stromflüsse über das Mainboard, den EPS- und 24-Pin-Anschluss eingehen und erläutern, welche Auswirkungen dies auf das Platinenlayout von Grafikkarten hat, insbesondere in Bezug auf Masseflächen. Und ich bitte, das Gelesene wertfrei einzuordnen und keine Panik zu forcieren, aber drüber schreiben muss ich dann schon.
Wer den alten Artikel noch einmal lesen will, der findet ihn als Link am Ende des heutigen Reviews. Der damalige Artikel behandelte ausschließlich den 12VHPWR-Anschluss. Heute habe ich insgesamt vier Grafikkarten unterschiedlicher Leistungsklassen gemessen, darunter zwei Modelle von NVIDIA und zwei von AMD. Zusätzlich werde ich den neuen 12V-2×6-Anschluss mit den herkömmlichen 6+2-Pin-Anschlüssen vergleichen, also es wird sicher spannend! Und wie das Leben so spielt: Es war eigentlich eher ein Zufallsfund, weil ich die Messzangen an den falschen Kabel-Strang geklemmt und mich dann gewundert hatte, warum der Messwert viel zu niedrig war. Jetzt könnte man es entweder einfach umklemmen und vergessen oder aber man verschafft sich damit in einer stressigen Zeit ungewollt noch mehr Arbeit. Aber die Neugier hat gesiegt und wir spielen heute mal wieder Jugend forscht.
Was wir natürlich alle wissen: In einem Computer fließt elektrischer Strom in geschlossenen Kreisläufen. Was an Energie über die Versorgungsleitungen (z.B. 12-Volt-Schienen) in das System hineinfließt, muss über Masseverbindungen auch wieder herausfließen. Dieser Rückfluss des Stroms zur Masse wird oft übersehen, ist aber für die Stabilität eines PCs genauso wichtig wie die Stromzufuhr selbst. Gerade bei modernen Grafikkarten mit hohem Leistungsbedarf – etwa aktuellen High-End-GPUs mit 8-Pin- oder 12VHPWR-Stromsteckern – spielt die Verteilung der Rückströme eine große Rolle. Unbeabsichtigte Masseschleifen (also Schleifen, die der Strom über verschiedene Massewege bildet) können dabei immer wieder auftreten.
Sie entstehen, weil elektrischer Strom sich „wie Wasser immer den leichtesten und kürzesten Weg“ zurück zur Quelle sucht. Und genau deshalb sensibilisieren wir uns etwas und klären, warum neben den 12V-Anschlüssen auch die Rückwege des Stroms betrachtet werden müssen, welche Rolle der PCIe-Mainboard-Slot mit seinen vielen Masse-Pins spielt, wie das Mainboard (über 24-Pin- und EPS-Stecker) in die Stromrückführung einbezogen ist und welche Auswirkungen all das auf das Platinenlayout von Grafikkarten sowie die Systemstabilität hat.
Stromzufuhr vs. Stromrückfluss – Alle Ströme müssen zurück!
Ein zentrales Prinzip der Elektrotechnik ist der erste Kirchhoffsche Satz, der besagt: In einem Knotenpunkt (etwa einer Komponente oder einem Steckverbinder) ist die Summe der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme. Übertragen auf die PC-Stromversorgung bedeutet dies: Jedes Ampere, das über die +12V-Leitungen in die Grafikkarte fließt, muss über die Masse wieder zurückfließen. In der Praxis konzentrieren sich PC-Enthusiasten häufig darauf, wie viel Strom zu einer Grafikkarte über die 12V-Schienen fließt – z.B. über einen 8-Pin-PCIe-Stecker oder den neuen 12VHPWR- bzw. 12V2X6-Stecker – und übersehen geflissentlich, dass exakt derselbe Strom ja auch wieder abgeführt werden muss.
Genau dieser Rückfluss ist jedoch entscheidend. Formulieren wir die Frage mal provokativ: Fließt bei Steckverbindern wie dem 12VHPWR bzw. 12V2x6 oder 6+2 Pin (herkömmliche PCIe-Stromstecker), dem 8-Pin-EPS und dem 24-Pin-Mainboardanschluss im Rückfluss nach Masse wirklich jeweils genau der gleiche Strom über die korrespondierenden Pins der jeweiligen Anschlüsse zurück, wie er hineinfließt? Die Antwort lautet: Mitnichten! sprich: nicht unbedingt über dieselben Wege, aber in der Summe natürlich schon. Ok, dann schauen wir mal, was wir da so haben, denn in einem PC gibt es mehrere parallele Massepfade, über die der Strom zurück zum Netzteil fließen kann. Wichtig ist dabei zu verstehen, welche Wege der Rückstrom bevorzugt nimmt:
- Über die Masseleitungen der Grafikkarten-Stromkabel: Jeder 6-/8-Pin-PCIe-Stecker einer Grafikkarte besitzt mehrere Masse-Pins (bei 8-Pin z.B. fünf Massekontakte). Ein Teil des Grafikkartenstroms fließt dann direkt über diese dicken Masseadern wieder zurück zum Netzteil.
- Über den PCIe-Steckplatz (Mainboard-Slot): Die Grafikkarte ist über den PCIe-Slot fest mit dem Mainboard verbunden. Der Slot stellt neben Datenleitungen auch +12V und zahlreiche Massepins bereit. Darüber kann ein beträchtlicher Anteil des Stroms in die Mainboard-Masse abfließen und gelangt von dort über die drei nächsten Wege zurück zum Netzteil
- Über den Mainboard-24-Pin-Anschluss: Das Mainboard ist über den 24-poligen ATX-Stecker mit dem Netzteil verbunden. Darin befinden sich mehrere Masseleitungen. Strom, der in die Mainboard-Masseebene eingespeist wurde (etwa vom PCIe-Slot), kann über diese Masseleitungen zum Netzteil zurückfließen.
- Über den EPS/CPU-Stecker: Moderne Mainboards besitzen einen 4- oder 8-poligen EPS12V-Stecker (teils 2× 8-polig) für die CPU-Versorgung. Auch dieser bietet Masseverbindungen zum Netzteil. Unter Umständen fließt Grafikkarten-Rückstrom über die gemeinsame Massefläche des Mainboards zu den Massepins des EPS-Steckers ab.
- Über das PC-Gehäuse (Chassis-Masse): Das Metallgehäuse eines PCs ist meist mit dem Netzteilgehäuse verbunden und damit an Masse (Erde) gekoppelt. Die Grafikkarte ist über ihre Slot-Blende und die Schraubverbindung ebenfalls meist elektrisch mit dem Gehäuse verbunden. Dadurch kann in manchen Fällen ein Teil des Rückstroms über das Gehäuse abfließen, was allerdings zu Masseschleifen führen und Störungen verursachen kann.
Diese Vielzahl an Rückwegen bedeutet: Nicht zwangsläufig fließt der gesamte Strom über denselben Stecker zurück, durch den er gekommen ist. Die Verteilung richtet sich nach dem geringsten Widerstand. Im Idealfall sind alle diese Pfade niederimpedant genug, um den Strom ohne große Spannungsabfälle aufzunehmen. Wenn jedoch einzelne Rückleitungen einen deutlich leichteren Weg bieten, konzentriert sich der Rückstrom dort – mitunter zum Nachteil anderer Komponenten.
Ein praktisches Beispiel dafür ist das Phänomen schmelzender Stromstecker-Pins. Bei überlasteten 12V-GPU-Steckern (etwa dem 12VHPWR) kam es vor allem zu verschmorten +12V-Pins, während die Masse-Pins meist unbeschädigt blieben. Das erscheint zunächst paradox, da doch durch jeden Stromkreis gleicher Strom fließt. Die Erklärung ist allerdings einleuchtend, denn die Grafikkarte verteilt den Rückstrom auf mehrere Pfade, sodass über die Massekontakte des gleichen Steckers weniger Strom zurückfließt als über die +12V-Kontakte hinein. Diese Entlastung der Masse-Pins im Stecker führt dazu, dass primär nur die heiß gewordenen +12V-Pins Schaden nehmen und die Masse-Pins nur indirekt beschädigt werden.

Genau dies hatten ja meine damaligen Messungen bereits bestätigt und ich hatte dabei aufgezeigt, dass der Rückfluss des GPU-Stroms sich im System „wie mit der Gießkanne“ aufteilt, sich also über diverse Masseverbindungen verteilt.
Der PCIe-Slot und seine Masse-Pins – das unterschätzte Rückgrat
Moderne Grafikkarten beziehen bis zu 75 W über den PCIe-Steckplatz (auch PEG-Slot genannt). Der x16-Slot stellt dazu drei +12V-Pins bereit (in Summe typ. ~5,5 A bei 12 V) sowie mehrere 3,3V-Pins für geringere Leistungen. Wesentlich mehr Pins des Slots sind jedoch als Masse ausgeführt – laut ATX-Spezifikation sind bei einem x16-Steckplatz Dutzende der 82 Kontakte auf Masse gelegt. Diese vielen Masse-Pins erfüllen zwei Zwecke: Sie dienen als Referenzpotenzial für die Hochgeschwindigkeits-Datenleitungen (Signalrückführung zur Vermeidung von Störeinflüssen) und sie können Strom transportieren. Tatsächlich darf die spezifizierte Leistungsaufnahme über den Slot natürlich auch über dessen Masse wieder zurückfließen und die Slot-Masse muss diese ~6 A auch sicher führen können. Dank der Vielzahl an parallelen Massepins ist das auch unproblematisch, allerdings kommt gleich der Ampere-Hammer.
So wird immer unterschätzt, dass über die Massekontakte des PCIe-Slots noch wesentlich höhere Ströme fließen können, als dem Slot nominell an 12V-Leistung entnommen wird. Der Grund ist wieder die Parallelität der Rückwege: Zieht die Grafikkarte beispielsweise weitere 200 W über externe 8-Pin-Stecker, dann muss auch dieser Strom größtenteils zurück. Wenn die Masseleitungen der PCIe-Stromkabel und des Mainboards alle miteinander im Rechner verbunden sind, kann es passieren, dass ein signifikanter Teil des extern eingespeisten Stroms über die Slot-Masse zurückfließt, weil dieser Pfad für einen Teil des Stroms vielleicht „kürzer“ oder niederohmiger ist. Ich erinnere noch einmal an mein damaliges Experiment mit einer ca. 380 W ziehenden Grafikkarte, wo ich über 10 A Rückstrom am PEG-Slot verzeichnen konnte, obwohl der Slot selbst nur ~3,4 A über +12V einspeiste. Andere Tests mit einer RTX 4090 (~516 W) ergaben rund 13 A Masse-Rückstrom am Slot, bei Extrem-BIOS bis zu 15 A!
Diese Werte liegen deutlich über dem eigentlichen „75W-Limit“ des Slots (das etwa 6,25 A auf 12 V entspricht), betreffen aber die Masseverbindung, nicht die +12V-Zuleitung. Der PCIe-Slot verträgt das – dank über 30 paralleler Massekontakte – rein elektrisch gesehen durchaus noch, ohne sofort Schaden zu nehmen. Allerdings wird hier klar, welch tragende Rolle der Slot für die Stromrückführung spielt. Eine robuste Masseanbindung der Grafikkarte im Slot ist deshalb essentiell. Praktisch wird dies gewährleistet durch die vielen Masse-Pins und die breite Massefläche im Slot-Connector des Mainboards, an die diese Pins angebunden sind. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass eine hohe Belastung des Slots über die Masse Folgeeffekte auf das Mainboard haben kann (dazu in den nächsten Abschnitten mehr). Ingenieure von Grafikkartenherstellern überlegen bereits, wie man die Masseflüsse künftig bewusster steuern kann, um den PCIe-Slot etwas zu entlasten. Denkbar wäre z.B., die Spannungswandler-Verteilung auf der Karte so zu gestalten, dass ein größerer Teil des Stroms lokal über die externen Stecker zurückgeführt wird, statt über den Slot. So ließe sich die Stromverteilung gezielt beeinflussen, um den Slot nicht über Gebühr zu belasten.
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