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AMD Ryzen Threadripper 2990WX und 2950X im Test – Echter Fortschritt mit bis zu 32 Kernen

Zunächst war ich noch reichlich amüsiert, wie oft und gern die AMD-Vertreter die mögliche Luftkühlung beider Kernmonster zum Thema machten und thermische Seitenhiebe gegen Intel verteilten wie andere Leute unnütze Pizza-Flyer. Aber, Herrschaften, im Grunde genommen wäre das doch mal etwas, oder? Versuch macht klug und so gibt es auch für solcherlei Experimente kein Halten mehr.

Und während Intels große Intel Core i9-7890XE und i9-7960X (vorerst) noch brav unter der fettigen Schicht aus Wärmeleitpaste schwitzen müssen, ist bei Familie Threadripper alles im Lot und noch lange nicht Schluss. Ich habe die beiden Intel-CPUs nach den Applikation-Benchmarks übrigens mal fix geköpft, denn für die Messung der maximalen Leistungsaufnahme und Kühlung taugt die Pampe bei solchen Boliden ja nun wirklich nicht.

Luftkühlung und ihre Grenzen

Ja, es geht wirklich, man kann beide neuen Ryzen Threadripper mit Luft kühlen. Das stelle ich als Erkenntnis mal voran. Verzichtet man zudem auf manuell aktiviertes Precision Boost Overdrive (PBO), dann klappt es bei beiden CPUs noch recht smart und zumindest beim Ryzen Threadripper 2950X auch noch ohne großes Getöse. Bei dieser CPU klappt dann auch sogar PBO mit Luft, nur ist bei denn dort umgesetzten ca. 250 Watt dann ebenfalls schon Schluss mit lustig (und leise).

Aber: es geht selbst dann noch recht gut und sogar taktmäßig einigermaßen verlustfrei, wenn man mal vom Geräuschpegel des auf 2500 U/min drehenden Lüfters absieht. Denn den hört man dann auch einem geschlossenen Gehäuse deutlich heraus. Mit 45,6 dB(A) im Abstand von 50 cm liegt man schon arg hoch, zumal sich die tieferfrequenten Lagergeräusche des Lüfters durch die feste Verschraubung mit dem Mainboard als Körperschall auch auf die Platine und später sogar noch auf das Gehäuse übertragen dürften.

So gut der von Cooler Master beigesteuerte Serienkühler (der wie üblich von AVC stammen dürfte) auch sein mag, wer wirklich auf Luft UND leise setzt, wird beim Ryzen Threadripper 2950X landen und wohl eher auf einen potenten Noctua-Kühler setzen. Was mich persönlich an AMDs Kühler aber viel eher stört, ist die unsinnige Herausführung der Kabel an der den PCI-Express-Slots zugewandten Seite.

Steckt man eine sehr potente Grafikkarte in den ersten Slot, dann ist der USB-Anschluss am Kühler komplett verdeckt und nicht mehr nutzbar. Außerdem berührt eine Grafikkarte mit Backplate bereits den Kühler direkt, was thermisch gesehen völliger Nonsens ist. Deshalb habe ich den Luftkühler (zusammen mit der eher schwachen All-in-One Kompaktwasserkühlung von Enermax) für einen Teil der nächsten Messungen wieder aussortiert, denn mir geht es jetzt gleich um das Ausloten der echten Grenzen dieser beiden CPUs. Das geht aber mit diesen beiden Kühllösungen definitiv nicht.

Was leisten XFR2 und Precision Boost Overdrive (PBO) wirklich?

Für die ganzen theoretischen Hintergründe verweise ich explizit auf mein Launch-Review zum Ryzen 2700X und den sehr ausführlich dargelegten Techniken. Trotz aller Zweifel einiger Medien an meinen damaligen Messungen, die AMD nämlich eine exakte Punktlandung der Leistungsaufnahme (Package Power) auf die festgelegten Limits bescheinigte, bin ich bis heute bei den gemachten Aussagen geblieben. Aus guten Grund übrigens.

Mit den heutigen Tests kann ich dies nämlich sogar noch untermauern, denn so lange die Motherboardhersteller nicht cheaten und sich exakt an AMDs Vorgaben halten (z.B. das PPT), so lange bleiben auch die Messwerte exakt im abgesteckten Rahmen! Das möchte und muss ich hier mal einschieben, damit man die Limits der folgenden Messergebnisse besser einordnen kann. Ich messe ab jetzt alles mit Wasser und setze ab dem Erreichen der thermischen Limits auch noch auf dem Chiller im erweitern Kreislauf unserer neuen Wasserkühlungs-Messstation.

Bei XFR2 und PBO kommt es natürlich wie immer auf die richtige Kühlung an. Ich habe zunächst den Ryzen Threadripper 2990WX an seine Grenzen getrieben, ohne jedoch die letzte Gewalt anzuwenden. Trotzdem sind über 42 Ampere beim Einsatz des Chillers am EPS-Anschluss des Motherboards schon eine Hausnummer, auch wenn da thermisch noch nichts gethrottelt hat. Mit LN2 kommt man dann schon fix auf über 50 Ampere und man braucht ein gutes Netzteil, um nicht die OCP auszulösen. Zumal man auch am Mainboard das 500-Watt-Limit erst einmal manuell beseitigen muss.

AMD hat bei beiden CPUs diesmal eine  neue (alte) Temperaturermittlung und Auswertung einfalle lassen! Zugrunde liegt allen Messungen und Angaben nur noch Tdie, als die Temperatur des Packages! Das, was als um 27°C höherer Tctl-Wert aus Kompatibiltätsgründen ausgegeben wird, dient nur der Lüftersteuerung und sonstigen Funktionen, um abwärtskompatibel zu bleiben! AMD setzt die Obergrenze für Tdie bei beiden neuen Threadripper-CPUs auf 68°C (was dann wiederum 95°C Tctl als Kontrollwert ergibt). Tctl ist somit kein Messwert mehr!

Die Kurven für den Ryzen Threadripper 2990WX sehen dann so aus, wie in den unten stehenden Grafik dargestellt. Wobei ich zusätzlich farblich den Einsatzbereich der unterschiedlichen Kühllösungen noch extra hervorgehoben habe und damit auch zeigen möchte, innerhalb welcher Leistungsbereiche welche Lösung einen Sinn ergibt bzw. nötig ist. Mit dem Luftkühler und der All-in-One Kompaktwasserkühlung kommt man bei diesem CPU-Monster unter Volllast aller Kerne nicht mehr sehr weit, selbst wenn ich in beiden Fällen die Lüfter auf maximalen Drehzahlen betreiben musste. Denn den Übertaktungsspielraum, den AMD ab Werk mit dem PBO ja eigentlich zulässt, kann man damit nicht mehr sinnvoll nutzen.

Wer sich über die Sprünge der einzelnen Temperaturkurven wundert: sie basieren auf den Temperaturwerten der jeweils verwendeten Kühlung, die ich ja nach oben hin deutlich intensivieren (und damit auch mehrmals wechseln) musste. Somit gibt es dann vier Kurven, denn LN2 läuft außer Konkurrenz und zudem deutlich unter null. Da die Sensoren aber nur ab ca. 20°C aufwärts überhaupt sinnvolle Werte anzeigen, lasse ich das also besser.

Anders beim Ryzen Threadripper 2950X, der mir auch bei der Kühlbarkeit deutlich eher gefällt! Denn eines ist auch Fakt: der Aufwand, den man bei der Kühlung treiben muss, ist deutlich geringer! Hier reichen bereits  eine normale Custom Loop Wasserkühlung oder eine All-in-One Kompaktwasserkühler mit 360er Radiator und guten Lüftern. Selbst mit Luftkühler geht da noch was, Hut ab! Die blaue Kurve für Tctl basiert nunmehr jedoch nur auf den Werten der Custom Loop Wasserkühlung:

Zwischenfazit

Während der Ryzen Threadripper 2950X auch noch bis etwas über 250 Watt mit Luft gut zu kühlen ist und auch ordentlich boostet, sollte man fürs letzte Megahertz wieder auf eine Lösung mit Wasser setzen. Ohne PBO reicht allerdings bis exakt 180 Watt auch der Luftkühler bequem aus und bleibt dabei sogar noch verhältnismäßig leise. Der Ryzen Threadripper 2990WX ist ohne PBO ebenfalls bis ca. 250 Watt noch gut mit Luft zu kühlen. Das ist die gute Nachricht des Tages und rekordverdächtig.

Immerhin schafft man damit auch noch einen Tick mehr als die nominell anliegenden 3 GHz, aber darüber hinaus wird es laut. Die große CPU kann man ohne PBO sicher damit noch ausreichend beherrschen, aber wer die 4 GHz-Marke im Auge hat, muss dann schon ein größeres Kaliber auffahren. Denn dann säuft der Große wie ein Loch und jegliche Effizienz geht in den Orkus. Das muss man dann natürlich mit sich selbst ausmachen, zumal PBO nicht Garantiebestandteil ist.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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