Was besagt die PEG-Norm eigentlich im Detail?
Für den x16-PCI-Express-Mainboard-Slot gibt es seit langem festgelegte Normen dafür, welche Ströme über die Pins der jeweiligen Spannungsschienen fließen dürfen. Eine Angabe in Watt ist hierbei allerdings nicht nur irreführend, sondern einfach falsch. Die PCI-SIG definiert für den 12V-Mainboard-Anschluss eine maximale Stromstärke von 5,5 Ampere (siehe Grafik) mit einer maximalen Toleranz bei der Spannung von acht Prozent nach oben und unten. Genau diese Angabe führt dann auch dazu, dass man schnell mit 12 Volt multipliziert um entweder 66 Watt (Normwert) oder 71 Watt (maximal ausgenutzte Tolorenz) anzugeben, was insofern Unfug ist, weil es bei der Norm lediglich um die fließenden Ströme geht.
Da aber die Spannung auf der 12V-Schiene nie genau 12 Volt beträgt, ist dies lediglich als gern genutzer Richtwert einzustufen – mehr nicht. Aber wir haben ja die gemessenen Daten für die Stromstärke als Basis für unsere Leistungsaufnahmemessung auf der ersten Seite. Deshalb nutzen wir auch hierfür die etwas größere Grafik, allerdings zunächst beschränkt auf die wirklich gemessenen Ströme (bitte aufs Bild klicken, um es zu vergrößern):
Wir messen am PEG auch diesmal noch stattliche 6,74 Ampere, was in jedem Fall deutlich zu hoch ausfällt. Die korrespondierenden Spannungen sind ebenfalls ein interessantes Thema, auch wenn es mit der Einhaltung der Norm für die Ströme nur indirekt etwas zu tun hat. Wir sehen sehr deutlich, dass der Mittelwert in jedem Fall der ATX-Spezifikation entspricht, auch wenn die Schwankungen dann schon recht ordentlich ausfallen. Gerade die sekundärseitige Bestückung der Kondensatoren in Netzteilen ist immer wieder ein heikles Thema und eine Grafikkarte saugt die Kondensatoren mit etwas gutem Willen bei Spikes schneller leer, als ein einfacheres und unzweckmäßig bestücktes Schaltnetzteil sie wieder auffüllen kann:
Wir haben die Spannungen zum Plausibilitätstest auch mit unserem Digital-Multimeter (HAMEG HMC 8012) protokolliert, da dieses auch eine Speicherfunktion besitzt, und keine Unterschiede feststellen können.
Über der Norm – aber das Drama bleibt aus
Wir messen am PEG auf 12 Volt immerhin noch 6,74 Ampere als Mittelwert. Somit entspricht unser Messergebnis einer Überschreitung der voll ausgelegten Norm um rund 1,24 Ampere. Damit liegt AMD immerhin knapp 23 Prozent oberhalb der festgelegten Obergrenze. Wir haben diesen Umstand bereits im Launch-Artikel relativiert und darauf hingewiesen, dass dies nicht zu Schäden führen sollte (solange die eingesetzte Hardware üblichen Normen entspricht). Hier noch einmal die kurze Erinnerung daran:
Zitat aus dem Launch-Artikel:
„Zur Klarstellung: Es wird sicher nichts verbrennen, aber Normen gibt es, um sie zu beachten.“
Deshalb möchten wir uns auch gegen den Vorwurf des Click-Baitings oder gar Bashings verwahren, denn ein deratiger Stil gehört garantiert nicht zu dem, was wir als Maßstab unserer Arbeit betrachten. Was Dritte dann in Verlinkungen und eigenen Schlussfolgerungen daraus machen, steht nicht in unserer Macht.
Was bringt uns eigentlich darauf, das Ganze eher entspannter zu sehen? Als die Norm verabschiedet wurde, waren ursprünglich vier Pins für die 12-Volt-Spannungsversorgung vorgesehen, je zwei auf Ober- und Unterseite der Platine (Bild oben mit älterer Grafikkarte, Pin 1 und 2).
Der benachbarte dritte Pin auf der Oberseite war frei und als reserviert definiert. Mittlerweile als weiterer 12V-Pin zertifiziert, nutzt man ihn jedoch oft bereits mit, so dass durchaus auch schon mal fünf Pins zur Verfügung stehen können, auch wenn Mainboards (vor allem deutlich ältere) hier (noch) abweichen können.
Vielleicht war der Satz zum Thema Überlast ja auch in der Fülle an Informationen etwas untergegangen, deshalb fassen wir es jetzt noch einmal zusammen und ergänzen es als eine Art Stellungnahme von unserer Seite um einige Hinweise:
Zusammenfassung
- Die ermittelten Ergebnisse auch bei der zweiten, modifizierten Messung zeigen, dass es auf dem PEG im Bereich der 12-Volt-Schiene zu überhöhten Strömen kommen kann, die in unseren mehrfach durchgeführten Messungen der Referenzkarte noch rund 23 Prozent über der PCI-SIG-Norm lagen. Daran ändert auch der Toleranzbereich für die anliegenden Spannungen nichts, denn es geht ausschließlich um die fließenden Ströme.
- Wir können uns damit auch nicht dem aktuellen Trend anschließen, bei erneuten Messungen plötzlich sehr viel niedrigere Werte erreicht zu haben. Die seit Jahren verwendete, turnusmäßig kalibrierte Messtechnik lieferte in beiden Szenarien – also der mit hoher und niedrigerer, um Spikes beschnittener Auflösung – verlässliche und sehr ähnliche Werte. Im Gegenteil müsste man sich fragen, warum bisherige Werte in manchen Quellen nunmehr so deutlich voneinander abweichen und was dies dann für deren ältere Reviews bedeuten könnte.
- Solange die Phasen der Spannungswandler symmetrische Lasten verarbeiten müssen, wird diese (wenn auch nicht dramatische) Überlast entstehen (und zwar unabhängig vom Sample oder anderen Zufällen), wenn es sich wirklich um eine Phasenaufteilung mit vier Phasen am PEG handelt, wie wir annehmen. Diese Vermutung teilen wir mit einigen Kollegen, die wie wir versucht haben, den Ursachen emotionslos auf den Grund zu gehen. Inwieweit wir damit richtig liegen, kann uns derzeit nur AMD selbst beantworten.
- Aktuelle Hardware sollte diese Ströme trotzdem ohne Schäden überstehen, was allerdings auch unkorrodierte und saubere Slots voraussetzt. Es ist zudem auf einen genauen Sitz der Grafikkarte zu achten. Dies gilt übrigens immer, auch wenn die Ströme deutlich niedriger ausgefallen wären.
- Trittbrettfahren, die versuchen, ihre vorher bereits geschädigte oder unsaubere Hardware samt möglicher Schäden als Folge zu deklarieren und damit in der Öffentlichkeit nach Aufmerksamkeit suchen, müssen wir ebenfalls eine klare und eindeutige Absage erteilen. Auch im Audio-Bereich kann nichts kaputt gehen, selbst wenn manche Lastspitzen vielleicht zu unschönen und hörbaren Interferrenzen führen können, die an Nichtlinearitäten analoger Schaltungen auftreten können. Hier wurde von Dritten ohne Grundwissen und Fakten lediglich eine urban legend verbreitet.
- Wir möchten auch unsere Kollegen nochmals bitten, nicht nur einfach Grafiken aus den Artikeln zu übernehmen, sondern auch unsere verbalen Bewertungen dazu. Dazu gehören übrigens auch der Messaufbau und der Verweis auf wichtige, weiterführende Artikel von unserer Seite, was zudem auch hilft, das veröffentlichte Material qualitativ richtig einzuordnen und Gerüchten vorzubeugen.
- Wir werden versuchen, in Zukunft beides anzubieten – sowohl die geglätteten Kurven in Großansicht, als auch die Grafiken mit den auf Plausibilität geprüften Spikes. Hier sind wir bestrebt, den Lesern so weit wie möglich entgegen zu kommen.
Fazit
AMD bewegt sich mit dem Power-Design der Radeon RX 480 jenseits der von der PCI-SIG definierten Norm. Nicht wirklich dramatisch, aber zuverlässig reproduzierbar. Normen sind jedoch als solche zu respektieren, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wir haben auch im Launch-Artikel nie impliziert, dass eine Radeon RX 480 beim Normaltakt ein aus soliden Komponenten zusammengesetztes System direkt schädigen würde. Probleme sollten also – wenn überhaupt – nur dann auftreten können, wenn minderwertige, verdreckte oder veraltete Komponenten zum Einsatz kommen, der Einbau unsachgemäß vorgenommen oder der Stromfluss durch ein zu hohe Übertaktung zusätzlich verstärkt wurde.
Unsere Messungen haben wir über die Jahre hinweg immer wieder hinterfragt, die Methodik und das Equipment zusammen mit unseren Industriepartnern weiter entwickelt, eine eigene Software für die Auswertung der Datenflut geschrieben und natürlich auch die direkte Zusammenarbeit mit einigen Grafikkarten-Board-Partnern gesucht, um Ergebnisse zu verifizieren und zu vergleichen. Da verschiedene Hersteller auch verschiedene Messmethoden und unterschiedliches Equipment nutzen, war und ist auf diesem Wege auch stets eine gute Vergleichbarkeit gegeben.
Wir danken in diesem Zusammenhang auch den Spezialisten von Rohde & Schwarz, die uns nunmehr seit drei Jahren technisch beraten und auch mit der passenden Technik dafür sorgen, dass Probleme wie zu niedrige Abtastraten, Aliasing, durch Rauschen verfälschte Messwerte usw. kein Thema sind. Wir wissen sehr wohl mit der uns vertrauten Technik umzugehen, was die unzähligen Grundlagenartikel zu unseren transparent dargestellten Messmethoden (Infratottechnik, PC-Audio-/Geräuschemissionsmessung, Leistungsaufnahme) sicher auch belegen dürfte. Außerdem profitieren wir ja auch von den vielen Meinungen und Beiträgen, die wir in aktiver Kommunikation aus einigen Foren mitnehmen konnten und können. Die richtige Community ist stets ein kritischer, sehr objektiver Beobachter und Berater, solange es um wirklich fachliche Belange geht.
Wenn Dritten ein Ergebnis nicht zusagt, weil es vielleicht nicht ins eigene Weltbild oder Wunschdenken passt, dann können wir an dieser Stelle leider nicht weiterhelfen, denn wir sind ausschließlich den Tatsachen und nicht irgendwelchen Vorlieben bzw. Emotionen verpflichtet.
Nachtrag Mega-MOSFET: Overclocking-Eldorado, Effizienzverstärker oder Rettungsanker?
Eine kleine Anmerkung zum Schluss sei uns dann noch gestattet. Wir konnten vereinzelt lesen, dass AMD speziell mit dem auf der Low-Side (GPU-seitig) verbauten MDU1511 einen auf den ersten Blick unnötig überdimensionierten MOSFET einsetzt und damit Übertaktern eine wahres Eldorado eröffnen könnte.
Das Bauteil schafft zwar maximal 100 Ampere, womit man jede Phase wirklich extrem ausreizen könnte (bis über 100 Watt). Aber AMD wird diesen MOSFET wohl eher wegen seines sehr geringen Innenwiderstandes von nur 2,4 mΩ ausgewählt haben, um vor allem die Wandlerverluste minimieren, damit auch kühler bleiben und die Leistungsaufnahme des Boards signifikant senken zu können. Das ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung und würde mit den Möglichkeiten des verbauten PWM-Controllers auch eine asymetrische Lastenverteilung auf dem Board ermöglichen.
Aber um den Bogen zurück zum Anfang und zu AMDs Ankündigung zu spannen: Wir sind sehr gespannt, inwieweit eine Korrektur der Missstände ohne BIOS-Updates der Firmware und allein mittels eines neuen Treibers realisiert werden kann, so wie AMD es mittlerweile angekündigt hat (siehe Seite 1).
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