Grafikkarten Testberichte

AMD Radeon RX 480 im Detail: Leistungsaufnahme, Layout und Normen | Vor 5 Jahren – Igors Retro

Was besagt die PEG-Norm eigentlich im Detail?

 

Für den x16-PCI-Express-Mainboard-Slot gibt es seit langem festgelegte Normen dafür, welche Ströme über die Pins der jeweiligen Spannungsschienen fließen dürfen. Eine Angabe in Watt ist hierbei allerdings nicht nur irreführend, sondern einfach falsch. Die PCI-SIG definiert für den 12V-Mainboard-Anschluss eine maximale Stromstärke von 5,5 Ampere (siehe Grafik) mit einer maximalen Toleranz bei der Spannung von acht Prozent nach oben und unten. Genau diese Angabe führt dann auch dazu, dass man schnell mit 12 Volt multipliziert um entweder 66 Watt (Normwert) oder 71 Watt (maximal ausgenutzte Tolorenz) anzugeben, was insofern Unfug ist, weil es bei der Norm lediglich um die fließenden Ströme geht.

Da aber die Spannung auf der 12V-Schiene nie genau 12 Volt beträgt, ist dies lediglich als gern genutzer Richtwert einzustufen – mehr nicht. Aber wir haben ja die gemessenen Daten für die Stromstärke als Basis für unsere Leistungsaufnahmemessung auf der ersten Seite. Deshalb nutzen wir auch hierfür die etwas größere Grafik, allerdings zunächst beschränkt auf die wirklich gemessenen Ströme (bitte aufs Bild klicken, um es zu vergrößern):

Wir messen am PEG auch diesmal noch stattliche 6,74 Ampere, was in jedem Fall deutlich zu hoch ausfällt. Die korrespondierenden Spannungen sind ebenfalls ein interessantes Thema, auch wenn es mit der Einhaltung der Norm für die Ströme nur indirekt etwas zu tun hat. Wir sehen sehr deutlich, dass der Mittelwert in jedem Fall der ATX-Spezifikation entspricht, auch wenn die Schwankungen dann schon recht ordentlich ausfallen. Gerade die sekundärseitige Bestückung der Kondensatoren in Netzteilen ist immer wieder ein heikles Thema und eine Grafikkarte saugt die Kondensatoren mit etwas gutem Willen bei Spikes schneller leer, als ein einfacheres und unzweckmäßig bestücktes Schaltnetzteil sie wieder auffüllen kann:

Wir haben die Spannungen zum Plausibilitätstest auch mit unserem Digital-Multimeter (HAMEG HMC 8012) protokolliert, da dieses auch eine Speicherfunktion besitzt, und keine Unterschiede feststellen können.

Über der Norm – aber das Drama bleibt aus

Wir messen am PEG auf 12 Volt immerhin noch 6,74 Ampere als Mittelwert. Somit entspricht unser Messergebnis einer Überschreitung der voll ausgelegten Norm um rund 1,24 Ampere. Damit liegt AMD immerhin knapp 23 Prozent oberhalb der festgelegten Obergrenze. Wir haben diesen Umstand bereits im Launch-Artikel relativiert und darauf hingewiesen, dass dies nicht zu Schäden führen sollte (solange die eingesetzte Hardware üblichen Normen entspricht). Hier noch einmal die kurze Erinnerung daran:

Zitat aus dem Launch-Artikel:

„Zur Klarstellung: Es wird sicher nichts verbrennen, aber Normen gibt es, um sie zu beachten.“

Deshalb möchten wir uns auch gegen den Vorwurf des Click-Baitings oder gar Bashings verwahren, denn ein deratiger Stil gehört garantiert nicht zu dem, was wir als Maßstab unserer Arbeit betrachten. Was Dritte dann in Verlinkungen und eigenen Schlussfolgerungen daraus machen, steht nicht in unserer Macht.

Was bringt uns eigentlich darauf, das Ganze eher entspannter zu sehen? Als die Norm verabschiedet wurde, waren ursprünglich vier Pins für die 12-Volt-Spannungsversorgung vorgesehen, je zwei auf Ober- und Unterseite der Platine (Bild oben mit älterer Grafikkarte, Pin 1 und 2).

Der benachbarte dritte Pin auf der Oberseite war frei und als reserviert definiert. Mittlerweile als weiterer 12V-Pin zertifiziert, nutzt man ihn jedoch oft bereits mit, so dass durchaus auch schon mal fünf Pins zur Verfügung stehen können, auch wenn Mainboards (vor allem deutlich ältere) hier (noch) abweichen können.

Vielleicht war der Satz zum Thema Überlast ja auch in der Fülle an Informationen etwas untergegangen, deshalb fassen wir es jetzt noch einmal zusammen und ergänzen es als eine Art Stellungnahme von unserer Seite um einige Hinweise:

Zusammenfassung

  1. Die ermittelten Ergebnisse auch bei der zweiten, modifizierten Messung zeigen, dass es auf dem PEG im Bereich der 12-Volt-Schiene zu überhöhten Strömen kommen kann, die in unseren mehrfach durchgeführten Messungen der Referenzkarte noch rund 23 Prozent über der PCI-SIG-Norm lagen. Daran ändert auch der Toleranzbereich für die anliegenden Spannungen nichts, denn es geht ausschließlich um die fließenden Ströme.
  2. Wir können uns damit auch nicht dem aktuellen Trend anschließen, bei erneuten Messungen plötzlich sehr viel niedrigere Werte erreicht zu haben. Die seit Jahren verwendete, turnusmäßig kalibrierte Messtechnik lieferte in beiden Szenarien – also der mit hoher und niedrigerer, um Spikes beschnittener Auflösung – verlässliche und sehr ähnliche Werte. Im Gegenteil müsste man sich fragen, warum bisherige Werte in manchen Quellen nunmehr so deutlich voneinander abweichen und was dies dann für deren ältere Reviews bedeuten könnte.
  3. Solange die Phasen der Spannungswandler symmetrische Lasten verarbeiten müssen, wird diese (wenn auch nicht dramatische) Überlast entstehen (und zwar unabhängig vom Sample oder anderen Zufällen), wenn es sich wirklich um eine Phasenaufteilung mit vier Phasen am PEG handelt, wie wir annehmen. Diese Vermutung teilen wir mit einigen Kollegen, die wie wir versucht haben, den Ursachen emotionslos auf den Grund zu gehen. Inwieweit wir damit richtig liegen, kann uns derzeit nur AMD selbst beantworten.
  4. Aktuelle Hardware sollte diese Ströme trotzdem ohne Schäden überstehen, was allerdings auch unkorrodierte und saubere Slots voraussetzt. Es ist zudem auf einen genauen Sitz der Grafikkarte zu achten. Dies gilt übrigens immer, auch wenn die Ströme deutlich niedriger ausgefallen wären.
  5. Trittbrettfahren, die versuchen, ihre vorher bereits geschädigte oder unsaubere Hardware samt möglicher Schäden als Folge zu deklarieren und damit in der Öffentlichkeit nach Aufmerksamkeit suchen, müssen wir ebenfalls eine klare und eindeutige Absage erteilen. Auch im Audio-Bereich kann nichts kaputt gehen, selbst wenn manche Lastspitzen vielleicht zu unschönen und hörbaren Interferrenzen führen können, die an Nichtlinearitäten analoger Schaltungen auftreten können. Hier wurde von Dritten ohne Grundwissen und Fakten lediglich eine urban legend verbreitet.
  6. Wir möchten auch unsere Kollegen nochmals bitten, nicht nur einfach Grafiken aus den Artikeln zu übernehmen, sondern auch unsere verbalen Bewertungen dazu. Dazu gehören übrigens auch der Messaufbau und der Verweis auf wichtige, weiterführende Artikel von unserer Seite, was zudem auch hilft, das veröffentlichte Material qualitativ richtig einzuordnen und Gerüchten vorzubeugen.
  7. Wir werden versuchen, in Zukunft beides anzubieten – sowohl die geglätteten Kurven in Großansicht, als auch die Grafiken mit den auf Plausibilität geprüften Spikes. Hier sind wir bestrebt, den Lesern so weit wie möglich entgegen zu kommen.

Fazit

AMD bewegt sich mit dem Power-Design der Radeon RX 480 jenseits der von der PCI-SIG definierten Norm. Nicht wirklich dramatisch, aber zuverlässig reproduzierbar. Normen sind jedoch als solche zu respektieren, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wir haben auch im Launch-Artikel nie impliziert, dass eine Radeon RX 480 beim Normaltakt ein aus soliden Komponenten zusammengesetztes System direkt schädigen würde. Probleme sollten also – wenn überhaupt – nur dann auftreten können, wenn minderwertige, verdreckte oder veraltete Komponenten zum Einsatz kommen, der Einbau unsachgemäß vorgenommen oder der Stromfluss durch ein zu hohe Übertaktung zusätzlich verstärkt wurde.

Unsere Messungen haben wir über die Jahre hinweg immer wieder hinterfragt, die Methodik und das Equipment zusammen mit unseren Industriepartnern weiter entwickelt, eine eigene Software für die Auswertung der Datenflut geschrieben und natürlich auch die direkte Zusammenarbeit mit einigen Grafikkarten-Board-Partnern gesucht, um Ergebnisse zu verifizieren und zu vergleichen. Da verschiedene Hersteller auch verschiedene Messmethoden und unterschiedliches Equipment nutzen, war und ist auf diesem Wege auch stets eine gute Vergleichbarkeit gegeben.

Wir danken in diesem Zusammenhang auch den Spezialisten von Rohde & Schwarz, die uns nunmehr seit drei Jahren technisch beraten und auch mit der passenden Technik dafür sorgen, dass Probleme wie zu niedrige Abtastraten, Aliasing, durch Rauschen verfälschte Messwerte usw. kein Thema sind. Wir wissen sehr wohl mit der uns vertrauten Technik umzugehen, was die unzähligen Grundlagenartikel zu unseren transparent dargestellten Messmethoden (Infratottechnik, PC-Audio-/Geräuschemissionsmessung, Leistungsaufnahme) sicher auch belegen dürfte. Außerdem profitieren wir ja auch von den vielen Meinungen und Beiträgen, die wir in aktiver Kommunikation aus einigen Foren mitnehmen konnten und können. Die richtige Community ist stets ein kritischer, sehr objektiver Beobachter und Berater, solange es um wirklich fachliche Belange geht.

Wenn Dritten ein Ergebnis nicht zusagt, weil es vielleicht nicht ins eigene Weltbild oder Wunschdenken passt, dann können wir an dieser Stelle leider nicht weiterhelfen, denn wir sind ausschließlich den Tatsachen und nicht irgendwelchen Vorlieben bzw. Emotionen verpflichtet.

Nachtrag Mega-MOSFET: Overclocking-Eldorado, Effizienzverstärker oder Rettungsanker?

Eine kleine Anmerkung zum Schluss sei uns dann noch gestattet. Wir konnten vereinzelt lesen, dass AMD speziell mit dem auf der Low-Side (GPU-seitig) verbauten MDU1511 einen auf den ersten Blick unnötig überdimensionierten MOSFET einsetzt und damit Übertaktern eine wahres Eldorado eröffnen könnte.

Das Bauteil schafft zwar maximal 100 Ampere, womit man jede Phase wirklich extrem ausreizen könnte (bis über 100 Watt). Aber AMD wird diesen MOSFET wohl eher wegen seines sehr geringen Innenwiderstandes von nur 2,4 mΩ ausgewählt haben, um vor allem die Wandlerverluste minimieren, damit auch kühler bleiben und die Leistungsaufnahme des Boards signifikant senken zu können. Das ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung und würde mit den Möglichkeiten des verbauten PWM-Controllers auch eine asymetrische Lastenverteilung auf dem Board ermöglichen.

Aber um den Bogen zurück zum Anfang und zu AMDs Ankündigung zu spannen: Wir sind sehr gespannt, inwieweit eine Korrektur der Missstände ohne BIOS-Updates der Firmware und allein mittels eines neuen Treibers realisiert werden kann, so wie AMD es mittlerweile angekündigt hat (siehe Seite 1).

Kommentar

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Tim Kutzner

Moderator

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5 Jahre ist das schon wieder her? Uff .. :D
Aufregende Zeiten, wo man seine RX 480 per BIOS-Flash noch zur RX 580 machen konnte

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Inelouki

Mitglied

64 Kommentare 18 Likes

Nutze die 580 immer noch und bin sehr zufrieden, abgesehen davon könnte ich akut eine Nachfolgerin auch nicht bezahlen. Schon irgendwie schön wie gut der Chip gealtert ist. Das flashen habe ich mir damals nicht zugetraut und deshalb direkt nach Erscheinen zur 580 gegriffen.

Mfg Inelouki

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Macces

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25 Kommentare 22 Likes

Ich nutze auch noch eine RX 480 mit RX 580 BIOS und etwas angepassten Speichertimings.
Für die meisten älteren Titel reicht es noch aber ganz aktuelle Spiele laufen nicht wirklich gut.

Aber bei den aktuellen Preisen muss die Karte noch eine Weile durchhalten. Ich hoffe sie raucht nicht ab :oops:

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Inelouki

Mitglied

64 Kommentare 18 Likes

Kann mich bei AC Valhalla nicht beklagen, läuft auf sehr hohen Einstellungen zwischen 45 und 60+ Bildern. Bin aber auch genügsam, denke ich komme (gezwungener Maßen) nicht so schnell zu Nachschub.

Mfg Inelouki

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Macces

Mitglied

25 Kommentare 22 Likes

In Shadow of the Tomb Raider auf 2560x1440 wird es ab und zu schon zäh. Es ist noch spielbar aber grenzwertig.

Vielleicht sollte man nicht immer mit High Settings spielen :giggle:

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Eragoss

Urgestein

1,096 Kommentare 314 Likes

Hab meine RX 580 aus dem Zweitrechner verkauft. 360€ für diese alte Karte war dann doch zu verlockend ;). Konnte zwischenzeitlich eine GTX 780 TI für knapp 90€ ersteigern, die langt für ein paar LAN Partys und FullHD (sobald es die Situation wieder zulässt). Prinzipell ist die Leistung der RX 480 auch heute noch für FullHD mit angepassten Settings durchaus in Ordnung. Ist sehr gut gealtert und ist durch das Mining im Wert sogar gestiegen ;)

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Ion_Tichy

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44 Kommentare 17 Likes

Den Artikel hatte ich mindestens 2 mal gelesen, da ich mir im August 2018 eine gebrauchte für 170€ gekauft habe. Vor 6 Wochen verkauft für 270€, irre.
Ist auch heute noch eine tolle Karte, alle Spiele in Full HD in mittleren oder hohen Einstellungen möglich. Der original Blower Kühler war eine Katastrophe, heiß und laut, dabei drosselte die 480 noch. Habe dann einen Arctic Accelero Twin Turbo II draufgebaut, dann war sie leise und kühl.

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RX480

Urgestein

1,743 Kommentare 795 Likes

Theoretisch war/bin ich schon doppelt durchgebraten mit RX480cf ohne den Limitpatch.
(zumindestens die Rippchen, die nach Phenom 1 noch übrig waren)

Wie gings denn dann bei Igors Frauchen mit der RX580?

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Mick

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10 Kommentare 5 Likes

Ich hab vor knapp 2 Jahren eine, als Miningkarte gebrauchte, RX480 für 100€ geschossen. Da war ein Lüfter defekt und darum wurde da ein GettoMod draufgebastelt. Es wurden 2x92mm Noctua mit Kabelbinder auf die Karte geschnallt, unter Volllast kaum hörbar. Die hab ich im KomplettPC mit einen Ryzen1700, 16GB RAM, 500GB SSD für 400€ an eine sehr gute Freundin verkauft. Heute würde ich wohl 400€ für die Karte alleine bekommen. ^_^

Meine Vega56 läuft auch mit 2x120mm Noctua unhörbar im HTPC und reicht immer noch für alles auf 1080p.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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