Grafikkarten News

Kämpft Nvidia jetzt mit Kleber als Workaround gegen die Space Invaders auf den RTX 2080 Ti und RTX Titan? Das Fundstück der Woche! | Update

Update: Ich habe den Text ergänzt (violett), dazu auch einige weitere Bilder zur Veranschaulichung zugefügt. Auerdem habe ich noch eine kleine Bilderstrecke zum No-Flow-Underfill angefügt, die zeigen, wie aktuell Grafikkarten-Platinen bestückt werden. Das allein zeigt, wie müßig so manche Diskussion eigentlich ist. (20.04.2019 – 11:30 Uhr)

Erinnert Ihr Euch noch an meinen Artikel „Der Todescocktail für Nvidias RTX-Karten: ein ganzer Mix aus verschiedenen Problemen soll verantwortlich für die Ausfälle sein“ und die ganze Aufregung um den sogenannten „Space Invaders“-Effekt als Fehlerbild für defekten Speicher?  Damals schrieb ich ja unter anderem auch über das Verbiegen („Bending“) im Wechselspiel mit der thermisch bedingten, unterschiedlichen physikalischen Ausdehnung der einzelnen Baugruppen und Komponenten, sowie den Druck des Kühlers. Da stellten sich mir schon einige Fragen, auch bezüglich der Speichermodule.

Die Folgen können durchaus gravierend sein, wenn sich fest miteinander verbundene Komponenten unterschiedlich stark ausdehnen oder gar der Druck an den einzelnen Ecken unterschiedlich ausfällt. Dann sind nämlich mechanische Fehler und Abrisse von Lötpunkten nahezu vorprogrammiert. Wenn der Druck an den Kanten des Speichers (auch noch begünstigt durch das dicke Pad) unterschiedlich ausfällt, ist dies bei qualitativ minderwertigen Lötstellen brandgefährlich. Die gesamte Kühleraufteilung und Befestigung ist eigentlich problematisch, wenn Kräfte ungleichmäßig auf Komponenten einwirken.

Um das etwas besser zu veranschaulichen, habe ich hier noch einmal eine kleine grafische Erklärung, die in ungefähr auch die einwirkenden Kräfte erklären kann:

Mittlerweile hat mir ein Leser, der eine aktuelle RTX Titan zerlegen konnte und auch einige neuere RTX 2080 Ti im Referenzdesign, auch Bilder der technischen Nachbesserungen an der Referenzplatine geschickt, die meine damaligen Vermutungen und Schlussfolgerungen zu Druck, Wärmeleitpad und Bending recht gut bestätigen. Der Workaround, den Nvidia bei den neuen RTX Titan in der Produktion bei Foxconn nutzt, setzt dabei auf zwei interessante Details. Zum einen ist das dicke, doch sehr auftragende Pad durch eine Art sehr weiches Wärmeleitpastenpad mit textilem Stützgewebe gewichen, was den Druck auf den Speicher deutlich minimiert.

Außerdem ist ein Teil der Module am äußeren Rand verklebt Diese doch sehr rustikale Methode sieht definitiv nicht nach einer industriell umgesetzten Lösung aus, sondern dürfte von Fließbandameisen an zusätzlich dazugestellten Stühlen manuelle erledigt werden. Ich schrieb ja bewusst Workaround, denn es mag sicher wirksam sein und auch den Zweck erfüllen, aber es ist eine doch sehr offensichtliche Notlösung. Denn das Schema oben zeigt eine Bestückung ohne nachträgliche Verstärkung. Die nachfolgenden beiden Bilder zeigen eine RTX Titan und eine RTX 2080 Ti mit dem sogenannten „reinforcement“

RTX Titan
RTX 2080 Ti

Wir sehen es auch in der Draufsicht noch einmal sehr deutlich, wo die Mädels den Kleber angesetzt und breitgedrückt haben. Das hat den Charme einer zusammengeflickten Platine aus einer russischen Raumkapsel, aber wenn es den Zweck erfüllt, warum nicht? Aber etwas befremdlich wirkt das dann schon.

 

Offiziell kommuniziert wurde diese Umstellung übrigens nie, aber das hätte man wohl auch kaum erwarten dürfen. Mich persönlich würde es ja auch brennend interessieren, ob dieser tolle Klebe-Patch bei anderen Karten in Nvidias-Referenzdesign auch angewandt wird, oder ob der Kleber so edel und teuer ist, dass er den RTX Titan vorbehalten bleibt. Aber immerhin zeigt es auch, dass Foxconn noch (k)lebt.

 

Erläuterung des SMT-Prozesses mit No-Flow-Underfill und Reflow

Da es in gewissen Foren immer wieder zu Irritationen und missverstandener Auslegung des Begriffs Underfill kommt, will ich hier mal exemplarische Bilder aus meinem eigenen Bestand einfügen, die vor allem eines zeigen: die Argumentation mit dem Underfill ist Humbug. Dazu muss man wissen, dass auf den Platinen bei der Grafikkarten-Herstellung (im Unterschied zur Erstellung der BGA-Packages mit der GPU) sehr selten ein kapillarer Underfill angewendet wird, bei dem eine kleine Nadel um das Bauelement geführt und dort der „Kleber“ so aufgespritzt wird, dass er sich durch die Kapillarwirkung faktisch unter das aufgelötete Bauelement saugt. Dieser Prozess kann nur nach dem Reflow ausgeführt werden, kostet zudem Zeit und benötigt noch eine weitere thermische Aushärtung vor der manuellen Bestückung der Platine und dem finalen Löten.

Bei der Grafikkartenherstellung nutzt man bei den Platinen das No-Flow-Underfill-Verfahren, bei dem der Kleber gleichzeitig auch das Flussmittel ist. Der Vorteil ist immens, denn der Underfill härtet beim Reflow gleich mit aus und hinterlässt gar keine oder nur kaum sichtbare Kanten. Ich zeige Euch mal, wie das Auftragen funktioniert. Zunächst kommen die gesäuberten Platinen als „Zwilling“ in den Beschichter.

Dann wird die Kombination aus Filler/Flussmittel auftamponiert bzw. in diesem Fall gerakelt:

Jetzt wird per SMT bestückt. Caps, Widerstände, aber auch GPU und Speicher.

Das Ganze kommt dann in den Reflow-Ofen und wird verlötet (metallische Verbindungen) und der Filler härtet gleichzeitig aus.

Man sieht sehr schon das Vorwärmen und abkühlen in den einzelnen Zonen des Reflow-Ofens:

Die restlichen Schritte schenke ich mir mal, aber es zeigt auch, dass allein schon technisch gesehen derartige „Underfills“ wie die Suppe auf den Platinen überhaupt nicht möglich sind. Auch die normalen Underfill-Verfahren hinterlassen keine solchen Spuren. Das ist reines Reinforcement, also das Auftragen einer verstärkenden Schicht, die auch die Kanten vor dem Abreißen schützt. Aber ein Underfill kann es gar nicht sein, weil da unter den Modulen schon was darunter ist.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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