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Der Kampf von Grafikkarte gegen Netzteil – Leistungsaufnahme und Lastspitzen entmystifiziert | igorsLAB

Man kennt und hasst ihn, den geliebten Moment, wo ein Netzteil mitten im Spiel plötzlich abschaltet, obwohl es neu ist und auch sonst keine Auffälligkeiten zeigt. Der Ärger der Anwender wird dann noch umso größer, wenn man glaubt, die Netzteilgröße auch richtig berechnet zu haben. Doch reicht das, was die Hersteller von Grafikkarten oder Netzteilen als Leistungswert angeben? Bei Netzteilen kann man sich da schon relativ sicher sein, aber was ist eigentlich mit den Grafikkarten?

Man kennt und hasst ihn, den geliebten Moment, wo ein Netzteil mitten im Spiel plötzlich abschaltet, obwohl es neu ist und auch sonst keine Auffälligkeiten zeigt. Der Ärger der Anwender wird dann noch umso größer, wenn man glaubt, die Netzteilgröße auch richtig berechnet zu haben. Doch reicht das, was die Hersteller von Grafikkarten oder Netzteilen als Leistungswert angeben? Bei Netzteilen kann man sich da schon relativ sicher sein, aber was ist eigentlich mit den Grafikkarten?

Und man amüsiert sich im Gegenzug auch immer über die Netzteilrechner der Grafikkartenanbieter, die oft genug viel höhere Werte als das ausspucken, was man in den normalen Messungen so findet. Wer meine Grafikkarten-Tests kennt, der weiß allerdings auch, dass ich immer auch die sogenannten Spikes (<20 ms) mit angebe, diese deutlich höheren Werte aber auch gern relativiere. Denn moderne Netzteile sollten solche sehr kurzen Lastspitzen eigentlich locker wegstecken können. Sollten.

Doch können sie das wirklich? Und vor allem: wie lange ? Und was bitte unterscheidet jetzt ein Spiel von einer Dauerlast wie z.B. Berechnungen oder ein Stresstest? Genau dieser Frage gehe ich jetzt nach, da sich scheinbar und leider sonst niemand wirklich im Detail darum kümmert. Und was ist  eigentlich mit den in den Netzteilen verbauten Schutzschaltungen?

Die Kollegen von PCGH haben unlängst in einem Artikel berichtet, dass Seasonic ungewöhnliche Lastspitzen auf einer AMD RX Vega56 gefunden hätte, die zur Abschaltung eines bestimmten Netzteiltyps führen könnten. Als Fazit führt man dann aus, dass bis über 600 Watt in einem 10ms-Interval anliegen würden, was einer Stromstärke von über 50 Ampere auf der 12V-Leitung für eine Karte entspräche. Dass dann ein 550-Watt-Netzteil nach Häufung solcher Lasten abschaltet, wäre eigentlich nur logisch. Doch was ist da wirklich dran?

Als Update muss ich allerdings faiererweise zufügen, dass diese Informationen vom Seasonic-Support stammen und man hier nicht die Grafikkarte allein, sondern das Gesamtsystem gemessen hatte. Das geht leider aus dem betreffenden Reddit-Eintrag nicht ganz so deutlich hervor:

AMD’s Vega 56/64 graphics card has a very high transient power consumption. The oscilloscope screenshot below shows the transient current when using the two Vega 56 CrossFire for FurMark test, up to 102A / 10ms, which means the power supply must withstand 1200W peak wattage. Even a single Vega 56 graphics card may have nearly 600W of transient power consumption.

Quelle Seasonic/PCGH

 

Was erwartet den Leser? Messungen und Fakten!

Ich finde es nämlich jetzt schon etwas unfair, AMD nun in den alleinigen Fokus zu rücken und das Schwarzer-Peter-Spiel von vornherein knallrot einzufärben. Genau deshalb habe ich drei Karten mit ähnlicher Leistungsaufnahme herausgesucht: die AMD Radeon RX Vega64 (ca. 250 Watt, Referenz und Custom), die Nvidia GeForce GTX 1080 Ti FE (ca. 250 Watt) und die GeForce RTX 2080 Ti FE (ca. 275 Watt), wobei sich diese Wattangaben auf die real gemessene Leistungsaufnahme beziehen.

Ich liege damit also sehr deutlich über dem, was Seasonic (vermeintlich) mit einer deutlich sparsameren RX Vega56 nominell hätte an Lasten erzeugen können. Und ich werde auch zeigen, welche Ströme und welche Intervalle ich in über 200 automatisierten Einzelmessungen pro Karte wirklich ermittelt habe. Es wird also auch Hersteller- und Generationen-bereinigt eine Zusammenfassung geben, welche Karte die längsten und oder die höchsten Lastspitzen wann genau erzeugt.

Wir werden nämlich gleich sehen, wie die Karten das Ganze regeln, jeweils mit maximaler Gaming-Last und beim konstant fordernden Stresstest. Power Tune (AMD) und Boost (Nvidia) gehen nämlich restriktiver vor, als man gemeinhin glaubt und es rückt auch vieles wieder etwas zurecht. Und es wird auch zeigen, dass sich die Netzteilhersteller ein paar mehr Sachen ins eigene Pflichtenheft schreiben sollten, anstatt allein die Grafikkarten zu verteufeln. Hier würden dann nämlich Ursache und Wirkung eklatant vertauscht.

Die Kollegen des Netzteilherstellers monieren, dass sie die Stromspitzen von über 50 Ampere mit einer Dauer von 10ms messen konnten, was zwar erst einmal kompliziert zu testen klingt, aber hier im Labor sehr einfach zu überprüfen ist. Ich habe deshalb den gesamten Messzeitraum auf 20 Millisekunden begrenzt, messe jedoch dort alles in Intervallen von 10 Mikrosekunden! Aliasing-Effekte können wir durch Messaufbau und Equipment ausschließen. Außerdem prüfe ich gleichzeitig in denselben Intervallen auch noch die jeweils anliegenden Spannungen des Netzteils auf Stabilität.

Ich bündele zudem die beiden externen Stromanschlüsse zu einer gemeinsamen Rail und messe so, wie die Ströme auch an einem Single-Rail-Netzteil fließen würden. Das speziell für diesen Test verwendete 550-Watt-Netztweil (Be Quiet Dark Power Pro 11 550 Watt, OC-Mode als Single-Rail) übervoltet zwar leicht, aber das ist eher marginal und voll im Rahmen der Spezifikationen. Da uns einzig und allein die Ströme interessieren passt das schon so, denn auch eine Überlastsicherung (OPP) basiert letztendlich auf der Überstromsicherung (OCP).

 

Testsystem
Hardware:
Intel Core i7-8700K @5 GHz
MSI MEG Z390 Ace
16 GB KFA2 DDR4 4000 Hall of Fame
1x 1 TByte Toshiba OCZ RD400 (M.2, System SSD)
2x 960 GByte Toshiba OCZ TR150 (Storage, Images)
Be Quiet Dark Power Pro 11, 550-Watt-Netzteil
Kühlung:
Alphacool Eisblock XPX
5x Be Quiet! Silent Wings 3 PWM (Closed Case Simulation)
Thermal Grizzly Kryonaut (für Kühlerwechsel)
Gehäuse:
Lian Li PC-T70 mit Erweiterungskit und Modifikationen
Modi: Open Benchtable, Closed Case
Monitor: Eizo EV3237-BK
Leistungsaufnahme:
berührungslose Gleichstrommessung am PCIe-Slot (Riser-Card)
berührungslose Gleichstrommessung an der externen PCIe-Stromversorgung
direkte Spannungsmessung an den jeweiligen Zuführungen und am Netzteil
2x Rohde & Schwarz HMO 3054, 500 MHz Mehrkanal-Oszillograph mit Speicherfunktion
4x Rohde & Schwarz HZO50, Stromzangenadapter (1 mA bis 30 A, 100 KHz, DC)
4x Rohde & Schwarz HZ355, Tastteiler (10:1, 500 MHz)
1x Rohde & Schwarz HMC 8012, Digitalmultimeter mit Speicherfunktion
Betriebssystem Windows 10 Pro (1809, alle Updates)

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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