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1More Spearhead VRX im Test – 7.1 Surround Headset mit steilem Head-Tracking und etwas schrägem Sound-Design

Mikrofon-Test

Zunächst messen wir den realen Frequenzbereich des Mikrofons, um dem Feedback der Leser entgegenzukommen. Dafür nutzen wir erneut unseren Messraum, kehren den Vorgang aber quasi um. Natürlich übersteigt eine echte Reziprozitätskalibrierung als Ausgangsbasis unsere aktuellen Möglichkeiten und der Aufwand überstiege den Nutzen bei Weitem. Deshalb haben wir einen Kompromiss gesucht.

Da wir aber über ein kalibriertes Messmikrofon verfügen, lässt sich durch eine Vergleichsmessung und das Herausrechnen der Unterschiede zumindest eine für unseren Zweck gut verwertbare Kurve erzeugen. Somit ist es also nicht der exakte Frequenzgang des Mikrofons, das würden wir uns gar nicht anmaßen, jedoch eine aussagekräftige Annäherung, die unseren subjektiven Eindruck zudem untermauert.

Die beiden Mikrofone wirken, vor allem mit aktiver Geräuschunterdrückung ENC etwas schlapp und lustlos. Es fehlen zudem alle Grundtonfrequenzen, so dass es in keinem Fall zu einer warmen und fülligen Wiedergabe kommen kann. Verständlich ist das wohl, aber es klingt schonetwas wir arg geclipptes Blechdosen-Feeling, dem jegliche Brillanz und Tiefe abgehen. Es ist echt „nur“ ein Kopfhörer mit Freisprecheinrichtung, jedoch kein wirklich ambitioniertes Headset.

Soundmessungen ohne installierte Treiber

Wie wir testen, haben wir im Grundlagenartikel “Gaming-Headsets: Mythos, Wahrheit und wie wir testen” bereits sehr ausführlich und transparent dargelegt, denn mit dem üblichen Audio-Geschwurbel von Bassgewittern und Hochtonpeitschen kommt man nicht wirklich weiter. Man muss schon subjektiv gut zuhören können und parallel dazu auch messen. Beginnen wir zunächst mit Letzterem. Dazu haben wir diesmal pro Messung gleich drei Grafiken in einer Galerie zusammengefasst und bieten neben der ungeglätteten auch die gelgättete Messkurve sowie ein CSD-Wasserfalldiagramm.

Die Kurven der spektralen Zerfallsanalyse (CSD) bieten weitere sehr nützliche Informationen über die Leistung der verbauten Treiber. Diese Analyse basiert auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthält aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigt nun als 3D-Grafik (“Wasserfall”) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch “ausklingen” oder “ausschwingen” genannt.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber vielleicht besonders “scheppert” oder wo sogar Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Die erste Messung belegt nun auch unsere Befürchtungen, denn unterhalb von 1 KHz brechen die Mitten und der Bass dramatisch ein und Fakt ist auch, dass die unterstützende Vibration („Super Bass VR Shock) ohne installierten Treiber nicht wirklich greift. Deshalb schrieb ich ja auf der vorigen Seite „nicht optimal“. Ob das nun an unserem Vorserienmuster lag oder gewissen Fertigungstoleranzen geschuldet ist – trotz gleich aufgebauter Kammern agieren beide Kanäle nicht wirklich identisch.

Subjektiv empfunden führt dies zu einer Balance-Verschiebung, wobei die blaue Kurve für den linken und die rote für rechten Kanal steht. Schauen wir nun als Nächstes, was die Software so bringt.

Soundmessungen mit installierten Treibern

Interessanterweise stand bei uns direkt nach der Treiberinstallation der 50-Hz-Regler auf Maximum und der Equalizer EQ war auch aktiviert. Das klang dann noch schräger, als sicher gewünscht. Ich habe erst einmal alle Regler in Nullstellung gebracht, sicher ist sicher. Die Untergliederung ist, glaubt man der Beschriftung, etwas eigenartig, denn normalerweise folget das alles gewissen Regeln (wie 32. 64, 125, 250, 500 Hz usw.). Aber egal, Hauptsache die Dinger machen am Ende das, was sie sollen.

Betrachten wir nun die Messkurven mit Nullstellung der ganzen Schieberegler, sowie aktivem EQ und staunen, denn dass was die nun aktive 7.1 Surround Illusion angeht, so schlägt es sich in extrem hibbeligen Kurven nieder. Vergleichen wir diese mit den Kurven ohne Treiber, dann sieht man sehr deutlich, wo da der Fake-Zug hin rollt.

Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich da nicht nach einer Abhilfe suchen würde. Denn eines ist ja auch eine Tatsache: den „Super Bass VR Shock“ kann man so recht nicht messen, nur spüren. Egal ob nun mittels Rosa Rauschen oder Swipe (Sinus), man sieht davon nichts in den Grafiken. Deshalb habe ich nun den Equalizer bemüht, um wieder etwas Ordnung in den Wellensalat zu bringen.

Soundmessungen mit EQ-Korrektur

Nun aber… Zunächst zeige ich allen potentiellen Interessenten, wie man zu einem guten Sound kommt. Das klappt auch subjektiv recht gut, wenn man den Vibrator auf maximal 50% stehen lässt (siehe vorige Seite).

Dazu wieder alle drei Kurvendiagramme als Sehhilfe und siehe da, es schaut schon gleich viel besser aus:

Der Hibbel-Hoppel kommt wieder vom Surround. Ausschalten lässt sich dies leider nicht, da muss man dann wieder den Treiber deinstallieren, was auch Blödsinn ist, weil dann der EQ. fehlt. Fürs Gaming und die dort anliegenden Sound-Teppiche funktioniert das noch richtig gut, bei Musik, nun ja. Wessen Anspruch bei deutschem Gangsta-Rap und Palmen aus Plastik endet, passt das auch noch. Den Klassiker würde ich mir mit diesem Kopfhörer aber nicht geben wollen.

Subjektives Hörerlebnis

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original am Ohr anliegen hat. Einspielen ist zwar Nonsens, aber ich habe das Teil trotzdem fast ca. 70 Stunden and einem speziell dafür zusammengestellten Loop schwitzen lassen. Man weiß ja nie… Allerdings bewerte ich nur die korrigierten Einstellungen, sonst könnte ich bis zu den Mitten fast alles Weglassen und über die Weiten des großen Nichts spekulieren.

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der Bass ist ohne Korrektur ganz knapp noch anwesend, wenn auch überwiegend als Vibration, aber nach dem Einpegeln klingt das dann sogar recht trocken und sauber. Das hätte ich so gar nicht erwartet. Allerdings ist die Pegelfestigkeit etwas arg limitiert. Es liegt aber am Soundchip und nicht an den verbauten Treibern, denn die kann ich an einem externen Amp mit Klinkenanschluss geradezu in infernalische Pegel aufblasen, bis das Trommelfell in Warnstreik geht.

Tipp an den Hersteller: lasst mal etwas Strom für den Amp übrig, denn RGB hört man ja eh nicht. Die aufgenommen 10 mA mehr bei Maximallautstärke sind echt nichts, was nach handfestem Trommelfellstress aussieht. Das dürften dann pro Kanal nach Abzug aller Spesen ca. 15 bis 20 mW Ausgangsleistung sein also nicht wirklich viel. Bass ja, aber es ist kein Puncher.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Ohne Korrektur klingt dieser Bereich klingt ebenfalls eher unnatürlich, was die Sprachwiedergabe nachteilig beeinflusst. Männliche Vokale sind bereits in ihrem Volumen stark beschnitten, was eigentlich sehr schade ist und Instrumente werden in dieser Tonlage ihres warmen Grundtones beraubt. Da wird dann oben hinaus kühl und fast schon metallisch klingen.

Für die meisten Spiele reicht es allerdings, nur bei Film- und Musikwiedergabe muss der erfahrenere Hörer schon ein wenig tapfer sein.  Also bitte genauso korrigieren, wie ich es oben vorgemacht habe. Dann passt das alles wieder.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Ohne Korrektur haben wir das gleiche triste Bild wie eben: weibliche Vocals sterben den sagenhaften Heldentod einer vereinsamten Walküre, denn da ist leider nichts, was eine gute und füllige Basis hergeben könnte. Interessanterweise fällt dies in Spielen eher weniger auf, wobei es dann meist am Soundmaterial liegt. Legt man Hand an und regelt diesen Frequenzbereich etwas nach, dann sind es Mitten wie aus dem Bilderbuch. Zwar noch lange kein Hi-Fi, aber anhörbar.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Ab ca. 1 KHz ist der Pegel auch ohne wieder dort, wo man ihn fast schon wieder zu gut wahrnehmen kann. Die Bühne ist allerdings etwas schmal und es liegt vor allem an den schwabbeligen Ohrpolstern, dass man hier etwas unentschlossen im Regen stehen bleibt. Surround, nun ja. Aber nichts geht am Ende über eine saubere Stereo-Widergabe als Grundvoraussetzung und Basis. Die Pseudo-3D-Verschlimmbesserung ersetzt keine Bühne. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

In Spielen merkt man das, auch wegen des hervorragenden Head-Trackings hingegen kaum, denn da kann man gut mit analogen Kopfbewegungen nachhelfen. Über Musik möchte hier an dieser Stelle nichts mehr schreiben, denn ein ansonsten gut aufgestelltes Orchester schrumpft auf der Bühne des Spearhead VRX auf Gartenzwerggröße zusammen.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe. Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Je höher die Tonleiter in den akustischen Himmel ragt, um so schriller und blecherner wird das klangliche Grundgerüst. Die Sibilanten sind sehr ausgeprägt und es klingt einigermaßen spitz, also fast schon wieder metallisch. Für Spiele ist so etwas sicher keine unpassende Wahl, aber klassische Gesangseinlagen muss man damit nicht zwingend konsumieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Gaming durchaus gut bis sehr gut funktioniert, wenn man nicht gerade Elfengeschwurbel mit romantischer Musik-Kulisse spielt. Für Musik ist der Auftritt generell nicht besonders optimal geeignet, es sei denn Klaus-Kevin gibt den Street-King. Dafür reicht es allerdings locker.

Zusammenfassung und Fazit

Himmelherrgott, das Fazit fällt diesmal echt schwer. Die mechanische Gestaltung und Umsetzung des Kopfhörers ist innovativ und gut. Das 3D-Tracking des Kopfes ist nicht minder innovativ und funktioniert wirklich tadellos. Der klangliche Eindruck in Spielen ist gut, die Orientierung (auch und vor allem wegen des Trackings) hervorragend.

Das klingt erst einmal alles ganz verdächtig nach Kauftipp, aber dem muss ich mich ehrlicherweise dann doch komplett verweigern. Zum einen ist das Sound-Design ohne manuelle Nachhilfe etwas grenzwertig und zweitens sind die Ohrpolster (was für mich dann der k.o. war) eine unverschämte Frechheit. Wie kann man nur ein ansonsten so solide gebautes Produkt mit so minderwertigem PU-Lederimitat und dermaßen wabbeligem Schaumstoff verhunzen? Das ist, wie sich selbst auszupeitschen und zudem komplett unnötig.

Manchmal könnte man echt vor Ärger in die Tischkante beißen, weil so unnötige Dinge im Finish eine Gesamtnote so drücken können. Aber ich will und muss ehrlich bleiben. Wer mit allen Nachteilen leben kann, das Tracking reißt vieles wieder raus. Aber ob man dann einen Hunderter in so einen Kompromiss mit sich selbst investiert? Abwarten und auf bessere Polster hoffen? Ehrliche Antwort: ich weiß es nicht.

Kaufpreis und Quelle reiche ich umgehend nach, denn heute ist der offizielle Launchtag. Warum auch immer man bei einem Kopfhörer so einen Aufstand machen muss.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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