Bluetooth Headsets Kopfhörer Testberichte

1MORE Dual Driver ANC Pro im Test – Drahtlose Bluetooth In-Ears mit ANC als positive Überraschung

Mit der Messung von In-Ears im Labor tue ich mich immer noch schwer, denn ohne angepasstes Equipment wird so etwas schnell zur Farce. Da muss ich mich aktuell noch auf mein (kritisches) Gehör verlassen, werde aber die üblichen Verbal-Wolken möglichst weitgehend vermeiden. Was mich absolut zufriedengestellt hat, waren die Empfindlichkeit und die Pegelfestigkeit. Es gibt also jede Menge Reserven für die nächste Corona-Demo. Kommen wir nun übergangslos gleich zur subjektiven Beurteilung der Dinge und lassen die Messkurven erst einmal einfach links liegen. Die Einschätzung basiert auf der Nutzung Out-of-the-Box mit gewechselten (und damit angepassten) Silikon-Stöpseln aus dem 1More-Lieferumfang.

 

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Ohne ANC ist der Bass bereits relativ tief und doch nicht zu fett. Der Tiefbass ist dabei sauber bis ganz nach unten hin wahrnehmbar, sogar die Subkontraoktave darf brav mitspielen. Das klingt erstaunlich reif und sehr trocken ausbalanciert, neigt also nie zum Wummern sondern deutet ein fast rabenschwarzes Gesamtfeeling an. Wer hier noch viel mehr Druck wünscht, braucht nur ANC zu aktivieren. Wieso man für ANC ein separates Bassprofil generiert, kann ich zwar nicht mit Logik erklären, aber alles wird noch fetter und fundamentaler. Das kann man mögen, aber mir ist es fast schon etwas zu viel.

Bewundernswert ist, vor allem ohne ANC, die geradezu stoisch anmutende Pegelfestigkeit der beiden großen Membranen. Das Einschwingverhalten ist sehr gut und man wird sicher seine Freude an der sehr gut konturierten Basswiedergabe haben, die nichts verzerrt und auch nicht „nach oben“ durchdrückt und Matsch provoziert.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Dieser Bereich klingt ohne ANC ebenfalls ausgewogen und zudem sehr natürlich, wirkt mit aktiviertem ANC aber schon fast zu fettig. Die männlichen Vocals werden in beiden Fällen eher warm und nicht zu prägnant wiedergegeben. Die Instrumente werden kaum verfälscht, schwächeln mit aktiviertem ANC aber etwas in der absoluten Präsenz und verlieren etwas an Kontur. Insgesamt ist die Auflösung sehr gut und lässt Orchesterstücke, Rock, Pop und Jazz aller Couleur recht gut performen. Wichtig ist, dass man die richtigen Ohrstöpsel nutzt und diese auch wirklich sauber abschließen, sonst gibt es akustische Matschepampe, was natürlich generell auch für den Tiefbass und das tonale Oberhaus gilt.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Ohne ANC gibt es zwar nichts zu meckern, aber es wird merklich kühler im akustischen Unterhaus. Es wird nichts analytisch, aber es ist zugig und lässt die oft gewünschte Wärme etwas vermissen, vor allem bei weiblichen Vocals. Aktiviert man ANC, kippt diese Zurückhaltung in eine fröhliche Kuschelrunde am Kamin. Der Klang gewinnt extrem an Wärme und Fülle und es wird geradezu heimelig warm. Beide Abstimmungen werden sicher ihre Freunde finden, wobei die Variante mit ANC deutlich massenkompatibler erscheint.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Die Bühne und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung sind auf sehr hohem, Niveau, was mit Sicherheit dem Preis und der Ausführung zu danken ist ist. Ein Orchester wirkt (rein subjektiv betrachtet) weit aufgestellt und es ist möglich, einzelne Instrumente bei unterschiedlichen Gesamtpegeln sehr klar und eindeutig zu lokalisieren. Die Sprachwiedergabe erfährt in diesem Bereich keinerlei Einbußen, egal wie viele Quellen gemischt werden. Was die Räumlichkeit betrifft, liegt hier ANC Off vor ANC on, allerdings sind die Unterschiede nicht so extrem wie es die komplett konträre klangliche Grundabstimmung in diesem Bereich vermuten ließe.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Die Wiedergabe ist in diesem Bereich ebenfalls frei von Kritik und die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals sind ausgezeichnet. Kontur und Differenziertheit sind gut, was den Hörern sicher gut steht. Da spielt es fast schon keine Rolle, ob man ANC an oder aus hat, denn das Fundament ändert sich zwar, aber dieses Sounding lässt den Bereich der unteren Höhen weitgehend unangetastet.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Hoch- und Superhochton sind zwar sehr dominant ausgeprägt, aber Sibilanten und Atemgeräusche werden trotzdem und dankenswerterweise nicht zu weit nach vorn geholt. Nennen wir es am besten „crispy“, also eher knusprig, denn es wird weder metallisch noch scheppernd. War bei spitzen Höhen etwas empfindlich ist, kommt damit trotzdem noch ganz gut klar, auch wenn er sich wohl erst einmal umgewöhnen muss. Aber auch er wird damit leben können. Der Superhochton ist spürbar vorhanden und rundet Bläser und elektronisch erzeugte Klanggebilde sehr wohltuend nach ganz oben hin ab.

Zusammenfassung und Fazit

Optisch und haptisch ist alles im grünen Bereich, die elektrischen Parameter bis hin zum Akku und den Lade- bzw. Laufzeiten stimmen und passen zudem zum Preis. Codecs wie AAC und LDAC sind ein nettes Feature, das man bei guten Hörern nicht missen möchte, dafür gibt es natürlich auch ein gewisses Lob. Sonst hätte ich wohl auch keine Kaufempfehlung ausgesprochen.

Die passive Dämmung gegenüber der Außenwelt ist sicher nicht schlecht, aber das ANC ist besser, wenn es darum geht, die Außenwelt sehr effektiv zu unterdrücken. Die Windgeräuschunterdrückung in einer speziellen ANC-Stufe lässt die vier verbauten Mikrofone weniger empfindlich reagieren, was interessanterweise auch zu einem geringeren Grundrauschen führt, beeinflusst den Klang aber nicht so extrem, wie die aktivierte Maximalauslegung des ANC. Dann verzeichnet man ein komplett anderes Abstimmungsverhalten der Kopfhörer.

Welche Auslegung man dann lieber mag, ist natürlich sehr subjektiv. Das will ich gar nicht beurteilen. Es ist jede Spielart in ihrer Weise nicht schlecht. Die Kopfhörer strahlen übrigens bauartbedingt wegen des halboffenen Prinzips der Treiber recht deutlich nach außen ab, was einen Sitznachbarn durchaus nerven könnte. Dessen muss man sich bei der Wahl des Lautstärkepegels immer bewusst sein. Klanglich sind diese Kopfhörer fast schon erschreckend gut für den Preis.

Zumindest dann, wenn es nach meinen akustischen Vorlieben geht. Denn je nach ANC-Stellung kann man sich zwischen knalltrocken und kühl oder grottentief und warm entscheiden. Also so etwas wie geräucherter Tofu aus dem Kühlschrank gegen eine heiße Schlachteplatte bzw. die kalorienreduzierte Imke-Dörte gegen die pummelige Oma Hilde in Gutbürgerlich beim Kochduell. Da ist also für jeden und alle Genres was dabei. Schmecken lassen!

 

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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