Kopfhörer-Messung
Wie ich teste, habe ich im Grundlagenartikel „Flexibler neuer Messaufbau für meine Tests von Kopfhörern, Headsets und In-Ears: Genauigkeit, Reproduzierbarkeit und Praxisrelevanz“ bereits sehr ausführlich und transparent dargelegt, denn mit dem üblichen Audio-Geschwurbel von Bassgewittern und Hochtonpeitschen kommt man nicht wirklich weiter. Man muss schon subjektiv gut zuhören können und parallel dazu auch messen. Beginnen wir zunächst mit Letzterem und kommen zur Messung der Kopfhörer-Qualität. Ich habe den Frequenzverlauf wiederum bei 1 KHz auf 0 dB normiert, so dass man einerseits gut den Gesamtverlauf mit allen Zugaben und Frequenzabfällen bewerten kann und andererseits auch nicht ganz die Vergleichsmöglichkeit zu anderen Messungen verliert. Zum Einsatz kommt das IEC 711 Messsystem aus dem Labor (siehe Bild).
Ich verzichte ab jetzt bewusst auf die die PR-kompatible auf 1 Oktave geglättete Darstellung und betrachte ausschließlich den ungeglätteten Kurvenverlauf. Der linke Kanal wird durch die gelbe Kurve repräsentiert, die violette Kurve steht für Rechts. Beide Buds decken sich recht ordentlich, allerdings setzt sich hier der reichlich Bass- und Mitten-lastige Eindruck aus dem eigenen Hörerlebnis nahtlos fort. Ab 5 kHz geht es in den Superhochton und leider auch nach unten. Bei 7 kHz und 12 kHz gibt es noch zwei Peaks, was die Höhen nicht ganz vernichtet, sondern partiell wieder aufleben lässt. Genau an dieser Stelle hätte ich gern mit einem Equalizer eingegriffen.
Leise Passagen funktionieren, ein Grundrauschen ist da (ANC), aber es ist nicht sonderlich störend. Nur das mit der Pegelfestigkeit ist so eine Sache, denn wirklich laut ist es alles nicht, auch nicht auf dem einstellbaren Maximum. Mit etwas weniger Bass wäre man wohl besser bedient gewesen. Aber die Hochton-Dellen fallen mit bis zu 9 dB bis 12 kHz echt zu stark aus, da beißt die Maus keinen Faden ab und man sieht nun auch, warum in den Specs keinerlei Angaben erfolgen. Die Höhen sind also nicht die Stärke der Graphen-Membranen.
Kumulative Spektren (CSD und SFT)
Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt.
Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.
Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Treiber-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers. Das Bild zeigt sehr schön das Einschwingverhalten und die übermäßige Bassbetonung. Die Membran schwingt bei 7 bzw. 12 kHz etwas nach, was ich aber fast schon als helfend empfinde, damit es nicht zu muffig klingt.
Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt. Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich in einigen Frequenzbereichen nur sehr kleine Schwächen leisten. Dieses „Nachziehen“ bei einigen Frequenzen zwischen 2 und 12 kHz) wiederholt sich und erzeugt einen existenten, wenn auch leicht verfälschten Hochton-Eindruck.
Burst Decay
Beim CSD wird der Plot im Zeitbereich (ms) erzeugt, während der hier verwendete Burst Decay Plot in Perioden (Cycles) dargestellt wird. Und während beide Methoden ihre Vor- und Nachteile (oder Einschränkungen) haben, kann man durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann, um das Abklingen eines Treibers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen. Und genau da schneiden die Buds erneut nicht ganz so gut ab. Wir sehen eine leichte Resonanzschwingung im Tiefbass, ein paar kleine Nachhänger zwischen 2 und 4 kHz und im späteren Verlauf dann wieder solche Peaks bei ca. 7 und 12 kHz. Es deckt sich wirklich erschreckend gut mit dem subjektiven Eindruck.
Subjektiver Sound-Check
Natürlich habe ich zunächst alles angehört, bevor ich gemessen habe. Man will ja keine Vorurteile schaffen und diesen dann erliegen. Sortieren wir das Ganze einmal. Der Bass ist gut, spielt extrem tief, ist noch einigermaßen trocken, besitzt aber kaum Pegelfestigkeit. Hier fehlt einfach die Leistung. Oberbass und untere Mitten sorgen für die warme Wiedergabe von Stimmen und Instrumenten, da die Grundtonfrequenzen recht dominant präsentiert werden. Der gesamte Mittenbereich ist bis ca. 3 kHz alles andere als schwach, was bis dahin auch gut gefällt.
Ab den oberen Mitten bis hin zum Superhochton gleicht der Höreindruck dann allerdings einer akustischen Achterbahnfahrt, wo es meistens nur eine Richtung gibt: abwärts. Klanglich ergibt sich für mich genau dort ein eklatanter Widerspruch zum aufgerufenen Preis von fast 100 Euro, das können günstigere Stöpsel zum Teil um Welten besser. Wenn man oberflächlich hinhört, mag man es vielleicht noch weich und samtig finden, aber mir fehlen hier einfach wichtige Details und eine ordentliche Auflösung.
Zusammenfassung und Fazit
Klanglich ist das Gebotene somit maximal Mittelmaß, wenn überhaupt. Ja, man kann damit die Pausen gut überbrücken und sich relaxt beschallen, nur so richtig genau sollte man eben nicht zuhören. Dann stellen sich viele akustische Defizite ein, die man in dieser Preisklasse so nicht erwarten würde. Das ist insofern wirklich schade, weil diese kleine Buds aufgrund ihrer minimierten Abmessungen wirklich begeistern können. Die Funktionalität ist ok, die Lauf- und Ladezeiten sind es auch.
Optik und Haptik passen, nur mit dem Sound habe ich persönlich so meine Probleme. Wer eher auf untenrum steht und keinen Hochton mag, kann durchaus glücklich werden. Der Rest sollte sich damit abfinden, bei Buds mit etwas größeren Abmessungen und höherem Gewicht eher fündig zu werden. Das alles ist nun einmal sehr subjektiv und vorschreiben möchte ich niemanden, was er gefälligst zu akzeptieren habe. Aber das Fazit ist diesmal weder euphorisch, noch wegweisend für ein Must-Have als Kaufempfehlung.
Sagen wir es mal so: Just another Buds in schön klein, etwas zu leise und etwas zu dumpf. Für 50 Euro wäre ich da locker mitgegangen, sogar mit einem Kauftipp wegen der restlichen Features, aber 100 Euro sind für die ComfoBuds Mini von 1MORE einfach too much für das Gebotene.
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